Von Christian
Sollten wir uns selbst Christen nennen oder so nennen lassen? Vielleicht hälst du eine Antwort für ganz offensichtlich. Doch es gibt einige gute Gründe, darüber nachzudenken.
Um einen der Gründe zu erklären, ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt, zu erklären, dass ich mich mittlerweile als Muslim fühle.
Bei vielen Lesern kann ich mir jetzt von Erstaunen bis Entsetzen alles vorstellen. Dabei wollte ich doch nur sagen, dass ich mich als solch eine Person fühle: „Der sich (Gott) Ergebende“ (siehe Wikipedia Artikel). Wenn Menschen in christlich geprägten westlichen Ländern aber hören, dass jemand ein Muslium ist, verbinden sie automatisch eine Reihe von Dingen damit. Mit einem Begriff ist schnell eine Art ‚Schublade‘ verbunden.
Wir dürfen daher nicht vergessen, dass Milliarden von Menschen bei den Worten Christ oder Christen an die Religion und dann an Kreuzzüge gegen Muslime, Inquisition, Glaubenskriege in Europa, Kolonialismus, den Ausbruch zweier Weltkriege und die Trinität denken. Mit dem Begriff ‚Christ‘ kauft man sozusagen das ganze Paket.
Ein anderes Extrem wäre, nur aufgrund der Bezeichnung ‚Christ‘ sich gleich schlecht zu fühlen: Denn wer von uns war schon auf einem der Kreuzzüge. Und die meisten dürften selbst zur Zeit der Weltkriege noch nicht einmal geboren gewesen sein. Und nicht jeder glaubt an eine kirchliche Definition der Trinität.
Ich denke, eines ist aber klar geworden: Wenn man sich Christ nennt, wäre es gut zu wissen, was das bedeutet und welchen Ursprung die Bezeichnung ‚Christ‘ hat. Welche historische und vor allem biblische Grundlage hat diese Bezeichnung? Wie wir sehen werden, trifft dies noch mehr auf die Bezeichnung ‚Gesalbte‘ zu.
Der erste Hinweis
Zum ersten Mal taucht der Begriff ‚Christen‘ in Apostelgeschichte 11:26 auf.
„und als er ihn gefunden hatte, brachte er ihn nach Antiochia. Es geschah ihnen aber, dass sie ein ganzes Jahr in der Gemeinde[o. Versammlung] zusammenkamen und eine zahlreiche Menge lehrten und dass die Jünger zuerst in Antiochia Christen genannt wurden.“
(Apostelgeschichte 11:26 Elberfelder)
Damit scheint die Frage beantwortet zu sein. Zumindest könnte man sich aber fragen, wer denn die Jünger ‚Christen‘ genannt hatte. Denn gemäß dieser Übersetzung ist die Formulierung im Passiv: Nicht sie selbst gaben sich den Namen, sondern andere nannten sie so. Und was wollten diese mit der Bezeichnung ausdrücken? Was bedeutet im Urtext denn ‚Christen‘?
Noch spannender wird dieser Text jedoch, wenn jemand die Übersetzung der Zeugen Jehovas liest:
„So kam es, daß sie ein ganzes Jahr lang mit ihnen in der Versammlung zusammenkamen und eine beträchtliche Volksmenge lehrten, und es war zuerst in Antiọchia, daß die Jünger durch göttliche Vorsehung Christen* genannt* wurden.“ (NWÜ)
„Sie kamen ein ganzes Jahr lang mit der Versammlung zusammen und lehrten eine ziemlich große Menschenmenge. In Antiọchia war es auch, dass die Jünger durch göttliche Vorsehung erstmals Christen genannt wurden.“ (NWÜ 2018)
(NWÜ 1986, NWÜ 2018)
Der Hinweis auf eine ‚göttliche Vorsehung‘ erscheint außer in der Neue-Welt-Übersetzung, der 2001 Translation und Young’s Literal Translation in keiner der etwa 40 von mir überprüften Übersetzungen. Gibt es einen Grund dafür, dass Jehovas Zeugen hier von göttlicher Vorsehung sprechen? Es gibt eine Begründung aufgrund des verwendeten griechischen Wortes. Dazu kommen wir noch. Tatsächlich wurde diese Formulierung aber auch so gewählt und als Begründung verwendet, dass Jehova im 20. Jahrhundert auch durch ‚göttliche Vorsehung‘ dann den Namen Jehovas Zeugen für ‚sein Volk‘ ausgewählt hat. Mehr dazu findet sich im Artikel „Apostelgeschichte 11:26 Durch ‚göttliche Vorsehung‘ Christen genannt?.
Aber lassen wird doch ganz im Sinne der Exegese oder des lutherischen sola scriptura (“allein durch die Schrift“) nun die Bibel selbst sprechen.
Exegese
Die Bedeutung des Wortes ‚genannt‘ χρηματίσαι (chrēmatisai)
Strong’s Lexikon gibt diese Bedeutung für χρηματίσαι (chrēmatisai) an:
Von chrema; ein Orakel aussprechen, d.h. eine göttliche Andeutung machen; im Umkehrschluss eine Firma für Geschäfte gründen, d.h. einen Titel tragen. Verwendung „Geschäfte abwickeln, Antworten geben“ Und als Verwendung: „(ursprünglich: Ich mache Geschäfte), (eine) Aktion von Gott: Ich warne; passieren: Ich werde von Gott gewarnt (wahrscheinlich als Antwort auf eine Anfrage nach der eigenen Pflicht), (b) (ich nehme einen Namen von meinem öffentlichen Geschäft an, also) ich bekomme einen Namen, werde öffentlich genannt.“
Strong’s Greek 5537
Thayer’s Greek Lexicon beschreibt diese drei Arten der Verwendung:
1. “Geschäfte abwickeln, insbesondere öffentliche Angelegenheiten regeln; jemanden in öffentlichen Angelegenheiten beraten oder konsultieren; denen antworten, die um Rat fragen, Anfragen oder Bitten vorbringen” usw.; wird von Richtern, Magistraten, Herrschern und Königen verwendet. So heißt es in einigen späteren griechischen Schriften,
2. denjenigen, die ein Orakel befragen, eine Antwort geben (Diodorus 3, 6; 15, 10; Plutarch, mor, S. 435 c. (d. h. de defect. oracc. 46); mehrmals bei Lukian); daher wird es von Gott in Josephus, Antiquities 5, 1, 14; 10, 1, 3; 11, 8, 4 verwendet; allgemein (ohne Bezug auf eine vorherige Konsultation), um einen göttlichen Befehl oder eine Ermahnung zu geben, um vom Himmel zu lehren ((Jeremia 32:16 ())): mit einem Dativ der Person Hiob 40:3; Passiv gefolgt von einem Infinitiv (A. V. offenbart usw.), Lukas 2:26 (χρηματίζειν λόγους πρός τινα, Jeremia 37:2 ()); Passiv, göttlich befohlen, ermahnt, belehrt werden (R. V. von Gott gewarnt), Matthäus 2,12.22; Apostelgeschichte 10,22; Hebräer 8,5; Hebräer 11,7 (diese passive Verwendung findet sich kaum anderswo, außer bei Josephus, Antiquities 3,8,8; (11,8,4); vgl. Buttmann, § 134, 4; (Winers Grammatik, § 39, 1 a.)); das Sprachrohr der göttlichen Offenbarungen zu sein, die Gebote Gottes zu verkünden, (τίνι, Jeremia 33:2 (); Jeremia 36:23 (): von Mose, Hebräer 12:25 (R. V. gewarnt).
3. einen Namen aus dem öffentlichen Leben annehmen (Polybius, Diodorus, Plutarch und andere); allgemein: einen Namen oder Titel erhalten, genannt werden: Apostelgeschichte 11,26; Römer 7,3 (Josephus, Antiquities (8, 6, 2); 13, 11, 3; b. j. 2, 18, 7; (c. Apion. 2, 3, 1; Philo, quod deus immut. § 25 am Ende; leg. ad Gaium § 43); Ἀντίοχον τόν Ἐπιφανῆ χρηματίζοντα, Diodorus in Müllers Fragment vol. ii, S. 17, Nr. 21:4; Ἰάκωβον τόν χρηματισαντα ἀδελφόν τοῦ κυρίου, Acta Philippi am Anfang, S. 75; Tdf. Ausgabe; Ἰακώβου … ὅν καί ἀδελφόν τοῦ Χριστοῦ χρηματίσαι οἱ Θειοι λόγοι περιέχουσιν, Eus. h. e. 7, 19; (vgl. Sophokles’ Lexicon, unter dem Wort, 2)).
Thayer’s Greek Lexicon
Interessanterweise gibt es hier also zwei Schwerpunkte: Eine öffentliche Bezeichnung oder eine Antwort Gottes.
Die Verwendung des Wortes ‚genannt‘ χρηματίσαι (chrēmatisai)
Nachdem wir die Bedeutung des Wortes auch in anderer Literatur betrachtet haben, ist es wichtig, die Verwendung in der Bibel selbst zu betrachten.
Das in Apostelgeschichte 11:26 verwendete Wort, wird 9 mal in der Bibel verwendet. Hier der Überblick. Die Übersetzung von χρηματίσαι (chrēmatisai) ist jeweils in Fettdruck wiedergegeben. Danach in Klammern [] die Wiedergabe in der Polyglot Internlinear Ausgabe.
„Und da sie im Traum angewiesen [having been divinely warned] wurden, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg zurück in ihr Land. “ (Matthäus 2:12 Schlachter 2000)
„Und auf eine Anweisung [having been divinely warned] hin, die er im Traum erhielt, zog er weg in das Gebiet Galiläas.“ (Matthäus 2:22 Schlachter 2000)
„Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden [divinely revealed], er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe..“ (Lukas 2:26 Einheitsübersetzung 2016)
„Sie aber sprachen: Kornelius, der Hauptmann, ein gerechter und gottesfürchtiger Mann, der ein gutes Zeugnis hat bei dem ganzen Volk der Juden, hat von einem heiligen Engel die Weisung erhalten [was divinely instructed], dich in sein Haus holen zu lassen, um Worte von dir zu hören.“ (Apostelgeschichte 10:22 Schlachter 2000)
„Er fand ihn und nahm ihn nach Antiochia mit. Dort wirkten sie miteinander ein volles Jahr in der Gemeinde und lehrten eine große Zahl von Menschen. In Antiochia nannte [Were called] man die Jünger zum ersten Mal Christen.“ (Apostelgeschichte 11:26 Einheitsübersetzung 2016)
„So wird sie nun bei Lebzeiten des Mannes eine Ehebrecherin genannt [she will be called], wenn sie einem anderen Mann zu eigen wird; stirbt aber der Mann, so ist sie vom Gesetz frei, sodass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie einem anderen Mann zu eigen wird“ (Römer 7:3 Schlachter 2000)
„Diese dienen einem Abbild und Schatten des Himmlischen, gemäß der göttlichen Weisung [was divinely instructed], die Mose erhielt, als er die Stiftshütte anfertigen sollte: »Achte darauf«, heißt es nämlich, »dass du alles nach dem Vorbild machst, das dir auf dem Berg gezeigt worden ist!“ (Hebräer 8:5 Schlachter 2000)
„Durch Glauben baute Noah, als er eine göttliche Weisung empfangen [having been divinely instructed] hatte über die Dinge, die man noch nicht sah, von Gottesfurcht bewegt eine Arche zur Rettung seines Hauses; durch ihn verurteilte er die Welt und wurde ein Erbe der Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens. “ (Hebräer 11:7 Schlachter 2000)
„Habt acht, dass ihr den nicht abweist, der redet! Denn wenn jene nicht entflohen sind, die den abgewiesen haben, der auf der Erde göttliche Weisungen verkündete [divinely instructing [them]], wie viel weniger wir, wenn wir uns von dem abwenden, der es vom Himmel herab tut!“ (Hebräer 12:25 Schlachter 2000)
Von den 8 anderen Verwendungen des Wortes ist in Römer 7:3 nicht von göttlicher Vorsehung die Rede, in den anderen 7 findet sich eine göttliche Einwirkung, aber immer im direkten Kontext. Dies ist in Apostelgeschichte 11:26 jedoch nicht der Fall. Dazu kommt, dass es immer um eine göttliche Anweisung ging, nicht um eine Benennung. Diese Übersetzung ‚genannt‘ wird aber in Römer 7:3 verwendet, wo keine göttliche Einflußnahme zu erkennen ist.
Es könnte also der Fall sein, dass Gott hier eine Rolle spielt, aber gesichert ist es nicht.
Dr. Michael Heiser wies in einem Podcast darauf hin, dass im Griechischen im Satz „In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen“ eine grammatikalische Besonderheit vorkommt, welche die Übersetzung schwierig macht. Die meisten übersetzen daher mit dem Passiv. Die Fachleute für Griechisch diskutieren das, und es könnte eventuell auch übersetzt werden als: „In Antiochia nannten sich die Jünger zum ersten mal selbst Christen.” Was zeigt uns das?
- Die Übersetzung der zweitausend Jahre alten Sprachen den Bibel ist schwierig und manchmal gibt es Unsicherheiten.
- Die Jünger Jesu, welche bis dahin als ein Zweig der jüdischen Religion angesehen wurden, wurden so zahlreich, dass man sie von den anderen Juden unterscheiden wollte.
Da wir die genau Bedeutung nicht sicher bestimmen können, wenden wir uns dem Begriff ‚Christen‘ selbst zu. Wenn Gott diese Bezeichnung tatsächlich veranlasst hätte, müsste der Name selbst ja eine besondere Bedeutung haben.
Die Bedeutung des Wortes ‚Christen‘ Χριστιανούς (Christianous)
Beginnen wir mit der Erklärung in Strong’s Lexikon zu Χριστιανούς:
Ein Christ. Von Christos; ein Christ, d.h. ein Anhänger von Christus.
Strong’s Greek 5546
Und noch Thayer’s Lexikon:
Χριστιανός (vgl. Lightfoot on Philip., S. 16 note), Χριστιανου, ὁ (Χριστός), ein Christ, ein Nachfolger Christi: Apostelgeschichte 11,26; Apostelgeschichte 26,28; 1. Petrus 4,16. Der Name wurde den Anbetern Jesu zuerst von den Heiden gegeben, aber ab dem zweiten Jahrhundert (Justin Martyr (z. B. Apologie 1, 4, S. 55 a.; Dialog contra Trypho, § 35; vgl. ‘Lehre etc. 12, 4 [ET])) von ihnen als Ehrentitel akzeptiert. CL Lipsius, Ueber Ursprung u. ältesten Gebrauch des Christennamens. 4to, S. 20, Jen. 1873. (CL Sophocles’ Lexicon, unter dem Wort, 2; Farrar in Alex.’s Kitto, unter dem Wort; zu den ‘Titeln der Gläubigen im N. T.’ siehe Westcott, Epistles of St. John, S. 125f; cf. Dict. of Chris. Antiqq., unter dem Wort ‘Faithful’.)
Thayer’s Greek Lexicon
Gemäß den Lexika ist die Bedeutung der Bezeichnung in Apostelgeschichte 11:26 also ein ‚Anhänger von Christus‘. Und diese Bezeichnung wurde ihnen von den Heiden gegeben.
Kann das wirklich so sein? Das wäre ja etwa so wie ‚Nazarener‘ oder ‚Russeliten‘!
Also noch einmal Exegese – oder nach Luther sola scriptura …
Die Verwendung des Wortes ‚Christen‘ Χριστιανούς (Christianous)
Die Bedeutung des Wortes für ‚Christen‘ klingt also nicht unbedingt nach einer besonderen göttlichen Vorhersehung. Aber wenn das ein von Gott verwendeter Begriff für Jesu Nachfolger ist, dann sollten wir den doch auch häufig in der Bibel finden, oder? Wie oft kommt ‚Christen‘ Χριστιανούς (Christianous) in den christlichen Schriften der Bibel vor? Nicht gleich weiter lesen. Was würdest du sagen? Nun, hier ist das Ergebnis:
„und als er ihn gefunden hatte, brachte er ihn nach Antiochia. Es fügte sich, dass sie ein ganzes Jahr lang zusammen in der Gemeinde wirkten und eine stattliche Zahl von Menschen lehrten. In Antiochia wurden die Jünger zum ersten Mal Christen genannt.“
(Apg 11:26; Apg 26:28; 1. Pe 4:16)
„Agrippa sagte zu Paulus: Wenig fehlt, und du bringst mich dazu, als Christ aufzutreten.[Andere Übersetzungsmöglichkeit: “…, den Christen zu spielen.“]“
“Wenn er aber als Christ leiden muss, dann schäme er sich dessen nicht, sondern preise Gott mit diesem Namen.“
Das sind tatsächlich alle Stellen! Inklusive Apg 11:26 gibt es nur ganze 3 Stellen in der gesamten Bibel! Verwendet ihn einer der Apostel oder anderen Autoren der Briefe als Bezeichnung für anderen Jünger Jesu? Nein. Ganz im Gegenteil. In Apg. 26:28 verwendet Agrippa diese Bezeichnung eher spöttisch. Und wie wird er im 1. Petrus Brief verwendet?
Niemand von euch soll als Mörder, als Dieb oder als Bösewicht leiden müssen oder weil er ein Auge hat auf das, was dem Nächsten gehört. Wenn er aber als Christ leiden muss, dann schäme er sich dessen nicht, sondern preise Gott mit diesem Namen. Denn die Zeit ist gekommen, da das Gericht beginnt, und zwar beim Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, wie wird dann das Ende derer sein, die nicht auf das Evangelium Gottes hören?
(1. Pe 4:15-17 Züricher)
Im Kontext der Bezeichnung ‚Christ‘ wird hier also von Gericht gesprochen. Und das Leiden als Verbrecher dem als Christ gegenübergestellt. Sowohl in Apg 26:28 also auch 1. Pe 4:16 ist ‚Christ‘ eine offizielle Bezeichnung von Heiden, vielleicht sogar Bezeichnung für eine Gruppe, die zu verurteilen ist.
Und nur um es noch einmal ganz klar zu machen:
Wie oft sprach Jesus seine Nachfolger als ‚Christen‘ an?
0 mal.
Wie oft sprach Paulus andere als ‚Christen‘ in seinen Briefen an?
0 mal.
Wie oft sprachen Petrus und andere in ihren Briefen ihre geistigen Geschwister als ‚Christen‘ an?
0 mal.
Wie oft wird der Begriff in den christlichen Schriften überhaupt verwendet?
3 mal.
Erst viele Jahrzehnte nach Jesu Tod übernahmen die Nachfolger Jesu diesen Namen – so der Bericht der frühen ‚Kirchenväter‘. In der englischen Wikipedia findet man noch weitere Erklärungen dazu:
„Kenneth Samuel Wuest ist der Meinung, dass alle drei ursprünglichen neutestamentlichen Verse ein spöttisches Element im Begriff “Christ” widerspiegeln, das sich auf Anhänger Christi bezieht, die den römischen Kaiser nicht anerkennen. Die Stadt Antiochia, in der man ihnen den Namen Christen gab, war dafür bekannt, solche Spitznamen zu erfinden. Doch Petrus’ offensichtliche Befürwortung des Begriffs führte dazu, dass er den “Nazarenern” vorgezogen wurde und der Begriff Christianoi aus dem 1. Petrusbrief zum Standardbegriff bei den frühen Kirchenvätern ab Ignatius und Polykarp wurde.
Wikipedia
Die frühesten Vorkommen des Begriffs in der nichtchristlichen Literatur sind Josephus, der sich auf “die Sippe der Christen, die nach ihm benannt wurde” bezieht, Plinius der Jüngere im Briefwechsel mit Trajan und Tacitus, der gegen Ende des 1. Jahrhunderts schrieb. In den Annalen berichtet er, dass “sie im Volksmund Christen genannt wurden” und bezeichnet die Christen als Neros Sündenböcke für den Großen Brand von Rom.“
Auf der Website der Deutschen Bibelgesellschaft heißt es:
Der Name »Christen« (wörtlich »Christianer«) kommt nach Apostelgeschichte 11,26 in Antiochia am Orontes auf, wo Paulus auf seiner ersten Missionsreise ein Jahr lang wirkte. Die Verwendung dieses Namens zeigt, dass die Anhänger von Jesus hier nicht länger als Teil der jüdischen Gemeinde, sondern als eine neue Gruppierung betrachtet wurden, zu der auch Heiden gehörten.
Im Neuen Testament kommt der Begriff nur dreimal vor. In Apostelgeschichte 26,28 wird er von König Agrippa gebraucht. Das deutet darauf hin, dass er ursprünglich keine Selbstbezeichnung der Jesus-Leute war, sondern erst im Laufe der Zeit dazu wurde. Dies scheint allerdings relativ schnell geschehen zu sein. Jedenfalls heißt es in 1. Petrus 4,16, dass es schon ausreichte als »Christ« bezeichnet zu werden, um ausgegrenzt und verfolgt zu werden.
Deutsche Bibelgesellschaft
„Ausgegrenzt und verfolgt“ … dazu wurde also die Bezeichnung ‚Christ‘ verwendet ….
Ist die Bedeutung von ‚Christen‘ Χριστιανούς (Christianous) Gesalbte?
Mancher denkt vielleicht, dass ‚Christen‘ eine durchaus passende Bezeichnung wäre, denn es würde ja ‚Gesalbte‘ bedeuten.
Insbesondere Zeugen Jehovas verwenden oft den Ausrdruck ‚gesalbte Christen‘, um eine kleine Gruppe von den ‚anderen Schafen‘ – also den allermeisten anderen Zeugen – zu unterscheiden. Tatsächlich führte deren Präsident J.F. Rutherford diese Unterscheidung in den 1930er Jahren ein, um eine Klasse von Geistlichen zu schaffen. (siehe Wahre Anbetung identifizieren, Teil 8: Die Lehre der Zeugen Jehovas über die ‚Anderen Schafe‘) Die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas, die vollständige Autorität über Lehrfragen hat und dem jeder bedingungslos folgen muss, besteht daher selbstverständlich nur aus Männern, die sich für ‚gesalbten Christen‘ halten.
Aber was bedeutet denn dieser Ausdruck im Griechischen genau?
Das griechische Wort Χριστιανός (Christianos), das “Anhänger Christi” bedeutet, stammt von Χριστός (Christos), was “Gesalbter” bedeutet, mit einer adjektivischen Endung, die aus dem Lateinischen entlehnt wurde, um das Anhaften an oder sogar das Zugehören zu bezeichnen, wie bei Sklavenbesitz. [Bickerman, Elias J. (April 1949). “The Name of Christians”. The Harvard Theological Review. 42 (2): 109–124] In der griechischen Septuaginta wurde christos verwendet, um das hebräische מָשִׁיחַ (Mašíaḥ, Messias) zu übersetzen, was so viel bedeutet wie “der Gesalbte”[20] In anderen europäischen Sprachen sind die entsprechenden Wörter für christlich ebenfalls aus dem Griechischen abgeleitet, z. B. Chrétien auf Französisch und Cristiano auf Spanisch.
Wikipedia
S. 147 „Alle diese griechischen Begriffe, die mit dem lateinischen Suffix -ianus gebildet werden, drücken genau wie die lateinischen Wörter derselben Ableitung die Vorstellung aus, dass die Menschen oder Dinge, auf die sie sich beziehen, zu der Person gehören, an deren Namen das Suffix angehängt wird.“
Bickerman, Elias J. (April 1949). “The Name of Christians”. The Harvard Theological Review. 42 (2): 109–124
S. 145, „Im Lateinischen brachte dieses Suffix Eigennamen des Typs Marcianus hervor und andererseits Ableitungen vom Namen einer Person, die sich auf seine Zugehörigkeit bezogen, wie fundus Narcissianus, oder, im weiteren Sinne, auf seine Anhänger, Ciceroniani.”
Aber werden die Jünger Christi nicht als Gesalbte bezeichnet? Nein. Es gibt nur diese beiden Texte:
Denn so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns. Der uns aber mit euch festigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott, der uns auch versiegelt und die Anzahlung des Geistes in unsere Herzen gegeben hat
(2. Kor 1:20-22 Elberfelder)
Das mit ‚uns gesalbt hat‘ übersetzte Verb kommt laut Strong’s nur 5 mal in der Bibel vor und wird davon 4 mal auf Jesus angewandt.
Und ihr? Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr habt nicht nötig, dass euch jemand belehrt, sondern wie seine Salbung euch über alles belehrt, so ist es auch wahr und keine Lüge. Und wie sie euch belehrt hat, so bleibt in ihm
(1. Joh 2:27 Elberfelder)
Auch in diesem Text wird nicht von ‚Gesalbten‘ gesprochen, sondern dass sie gesalbt würden.
Wie oft wird in den christlichen Schriften der Begriff ‚Gesalbte‘ (Plural) für die Nachfolger Jesu verwendet? Die Antwort ist: Überhaupt nicht! Mir fiel das erst auf, als ich in Übersetzungen danach gesucht habe. Das sollte uns auch zu denken geben.
Hier noch ein Zitat aus der 2001Translation:
Die frühen Christen nannten sich nie “die Gesalbten”.
In den jüdischen Schriften wird der Begriff “Gesalbter” häufig im Zusammenhang mit Propheten, Königen und Priestern verwendet. In den christlichen Schriften wird derselbe Begriff jedoch fast ausschließlich in Bezug auf Jesus verwendet. In der Bibel gibt es keine Hinweise darauf, dass sich Christen jemals als Gesalbte bezeichnet haben. Vielmehr scheint es, als sei der Begriff allein für Jesus reserviert.
Es gibt nur zwei Verse, die Christen als solche bezeichnet werden, die eine Salbung erhalten: 2. Korinther 1:21-22 und 1. Johannes 2:27. Dort wird nur am Rande erwähnt, dass die ersten Christen gesalbt wurden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie als “Könige und Priester” regieren sollen (Offenbarung 1,6). Es gab tatsächlich Hinweise darauf, dass sie gesalbt wurden. Das geschah zum ersten Mal in Apostelgeschichte 2:1-3, als “Feuerzungen” über ihnen erschienen. Von da an konnten viele der frühen Christen Wunder vollbringen oder hatten andere besondere Fähigkeiten. Sie waren also wirklich gesalbt – sie hatten ein physisches Zeichen von Gott, dass sie auserwählt waren.
Trotzdem benutzten sie den Begriff “gesalbt” nicht als besonderen Titel für sich selbst, um eine noch speziellere Beziehung zu Gott zu beanspruchen. Zweifelsohne war es die schlichte Demut, die sie dazu brachte, den Begriff “Gesalbt” nur für ihren Herrn Jesus zu verwenden.
2001 Translation
Es wird in der Bibel allerdings von falschen Gesalbten gesprochen:
Denn es werden falsche Messiasse [ψευδόχριστοι (pseudochristoi) falsche Gesalbte] und falsche Propheten auftreten. Sie werden sich durch große Zeichen und Wundertaten ausweisen und würden sogar die Auserwählten verführen, wenn sie es könnten.
(Mat 24:24 NEÜ)
Nebenbei bemerkt: Auch in der Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas kommt ‚Gesalbte‘ oder ‚gesalbte Christen‘ im biblischen Text nie vor, ‚gesalbte Christen‘ aber fast zwanzig mal in den Studienanmerkungen. Das ist mir in den Jahrzehnten nie aufgefallen. Erst jetzt, als ich mich mit diesem Thema einmal näher auseinandergesetzt habe.
Es macht einen Unterschied, ob man etwas ist, sich so nennt oder von anderen nennen lässt. Jesu warnte seine Nachfolger:
Ihr jedoch sollt euch niemals Rabbi nennen lassen, denn nur einer ist euer Rabbi, und ihr alle seid Brüder.
(Matthäus 23:8 NEÜ)
Da in der Bibel für die Jünger nie der Begriff ‚Gesalbte‘ verwendet wird, könnte man formulieren:
Ihr jedoch sollt euch niemals Gesalbte nennen lassen, denn nur einer ist Der Gesalbte, und ihr alle seid Brüder.
Frei nach Matthäus 23:8
Ist das übertrieben? Nun, die ‚Gesalbten‘ der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas haben vor kurzen in einem offiziellen Video sagen lassen, dass ‚ihre [der ‚Gesalbten‘] Stimme der Jesu Christi [Des Gesalbten] gleicht‘ und man ihnen genauso gehorchen muss (Video). Doch gemäß Jesu Worten sollten seine Jünger sich alle als Brüder und Schwestern sehen.
Andere Begriffe im ersten Jahrhundert
Jesus sprach wiederholt davon, dass seine Jünger ‚alle Brüder sind‘ (Matthäus 23:8). Daher ist es passend, die Begriffe Bruder und Schwester zu verwenden. Oder wie man es früher noch tat: Die Geschwister …
In den Evangelien werden sie oft als ‚Jünger‘ μαθηταὶ (mathētai) bezeichnet (Matthäus 12:1,2 …). Strong’s Greek 3101 gibt an: „Ein Lernender, Schüler, Zögling. Von manthano; ein Lernender, d.h. Schüler“. Das erinnert uns daran, dass es nicht darum geht, ‚die Wahrheit gefunden zu haben‘, wie Jehovas Zeugen das verwendent. Sondern dass wir immer weiter auf der Suche nach Wahrheit sind.
Tatsächlich gab es jedoch eine Bezeichnung für die Gruppe der Jünger, bevor die Heiden sie ‚Christen‘ nannten:
Saulus aber, der noch Drohung und Mord schnaubte gegen die Jünger des Herrn, ging zum Hohenpriester und erbat sich von ihm Briefe nach Damaskus an die Synagogen, in der Absicht, wenn er irgendwelche Anhänger des Weges [damals übliche Bezeichnung für den Glauben an Jesus Christus (vgl. u. a. Apg 19,9.23; 22,4; 24,14.22; s. a. Jes 35,8-9).] fände, ob Männer oder Frauen, sie gebunden nach Jerusalem zu führen.
(Apg 9:1,2 Schlachter 2000)
‚Anhänger des Weges‘. Ein passender Begriff, wo doch Jesus über sich sagte:
“Ich bin der Weg!”, antwortete Jesus. “Ich bin die Wahrheit und das Leben! Zum Vater kommt man nur durch mich.
(Joh 14:6 NEÜ)
Und möglicherweise hat es ja auch einen Bezug zu dieser Prophezeiung:
Und dort wird eine Strasse sein und ein Weg: Weg-der-Heiligkeit wird er genannt werden. Kein Unreiner wird ihn betreten, ihnen wird er gehören, die auf dem Weg gehen, und Toren werden nicht in die Irre gehen.
(Jes 35:8 Züricher)
Manchmal wird im Bericht auch ein anderer Gedanke betont:
Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen über diesen Mann gehört, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem getan hat. … Es geschah aber, dass Petrus, indem er überall hindurchzog, auch zu den Heiligen hinabkam, die zu Lydda wohnten.
(Apg 9:13, 32 Elberfelder)
Das mit ‚Heilige‘ übersetzte Wort ist ἁγίους (hagious) mit der Bedeutung: „Von (oder für) Gott ausgesondert, heilig. Von hagos; heilig.“ (Strong’s Greek 40). Diese Bezeichnung wird viele Dutzend Male verwendet. Und zwar für die ganze Versammlung, nicht nur einige besondere Personen, die ‚heilig gesprochen‘ wurden. Aber das ist auch ein anderes Thema.
Nun, sollten wir uns jetzt Christen nennen (lassen) oder nicht? Zumindest wissen wir jetzt mehr:
- Jesus sagte wiederholt über sie, dass sie alle Brüder und Schwestern sind.
- Sie wurden zuerst ‚Jünger‘ μαθηταὶ (mathētai) genannt.
- Man bezeichnete diese Leute auch als ‚der Weg‘.
- Und als Heilige.
- ‚Christen‘ wurde sie erst viel später wohl von anderen genannt. Die Verwendung durch Heiden in ist der Bibel und anderen Schriften belegt. In den christlichen Schriften kommt er nur 3 mal vor, aber nie als Anrede der anderen Gläubigen. Das ist erst im 2. Jahrhundert durch die Schriften der Kirchenväter belegt.
- Das ist nun aber auch schon fast 2000 Jahre her und daher ist Bedeutung des Begriffes vielleicht wichtiger.
- Der Begriff ‚Christen‘ Χριστιανούς (Christianous) aus Apostelgeschichte 11:26 bedeutet ‚Anhänger Christi‘ und nicht ‚Gesalbte‘.
- In den christlichen Schriften werden die gläubigen Christen niemals als ‚Gesalbte‘ bezeichnet. Nur Jesus wird als der Messias, der Christos, also der Gesalbte bezeichnet.
- Der von Jehovas Zeugen verwendete Begriff ‚gesalbte Christien‘ steht nicht für ‚gesalbte Gesalbte‘, sondern enthält eine Bezeichnung, welche die Gläubigen im ersten Jahrhundert sich aus Demut gegenüber Des Gesalbten nie gegeben haben.
So, und jetzt kannst du nach bestem Wissen und Gewissen selbst entscheiden.
3 Antworten zu “Sollten wir uns Christen oder Gesalbte nennen (lassen)?”
[…] Zum Thema ‚gesalbte Christen‘ gehe ich in diesem Artikel ein: „Sollten wir uns Christen nennen (lassen)?“ […]
[…] Mai 2023 hatte ich einen Artikel und ein Video veröffentlicht mit dem Thema Sollen wir uns Christen oder Gesalbte nennen (lassen)? Darin habe ich anhand der Bibel gezeigt, dass die Jünger Jesu zuerst von anderen als Christen […]
[…] Bibel selbst überhaupt verwendet? Das wollen wir uns anschauen, ganz ähnlich, wie ich das im dem Artikel und Video gemacht habe: Sollten wir uns Christen oder Gesalbte nennen (lassen)? oder Sollten wir […]
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