Weizenfeld mit Sonnenuntergang

Der Kanon – Teil 1: Was liest du, wenn du in ‚der Bibel‘ liest?


Von Christian


Ein Kind schaut dir beim Lesen zu und fragt dich: „Was liest du da?“ „Die Bibel“ „Und was ist die Bibel?“ „Na dieses Buch hier.“

 Einer der drei Bände der „Maximiner Riesenbibel“ aus der ehemaligen Trierer Reichsabtei St. Maximin.

Nun gut, vermutlich ist dein Exemplar nicht so alt wie dieses. Was würde ein Kind dich vielleicht noch fragen?

  • Was steht da drin?
  • Wer hat es geschrieben?
  • Wie alt ist es?

Bei der ersten Fragen antworten wir vielleicht mit einigen kindgerechten Begebenheiten oder Gleichnissen.

Bei der zweiten Frage merken wir vielleicht schon, dass es schwieriger als bei anderen Büchern wird, bei denen der Autor auf dem Umschlag steht. Sagen wir „Die Bibel wurde von Gott geschrieben“, wird das Kind – und ich gebe zu, es ist ein ziemlich aufgewecktes Kind – vielleicht fragen: „Kann Gott denn auf Papier schreiben?“ “Ja, das hat er so ähnlich einmal gemacht. Aber das meiste haben Menschen geschrieben.“ “Ich dachte, Gott hat es geschrieben.“ „Ja, aber er hat Menschen das dann aufschreiben lassen.“ „Und wie geht das.“ Jetzt bist du dran, Inspiration zu erklären. “Er hat ihnen das eingegeben.“ “Wie geht dass denn?“ Wir merken schon, dass ist gar nicht so einfach, wie wir uns gedacht haben. “Und hat das nur einer geschrieben? Oder waren das mehr?“ Es gibt wohl noch eine ganze Menge zu erklären.

„Und hat es dann nur ein Buch gegeben? Ist es das hier?“ „Anfangs ja, nein, das ist kompliziert. Eigentlich gab es anfangs gar kein Buch. Und genau genommen, ist es gar kein Buch, sondern eine Sammlung von Schriften.“ „Aber du hast doch gesagt, dass es ein Buch ist.“ „Ja, so nennen wir das. Aber das Schreiben hat ja weit über eintausend Jahre gedauert.“ „Also einer hat angefangen, und die anderen haben immer weitere Seiten geschrieben?“ Wir könnten uns diese Geschichte noch viel weiter ausmalen. Irgendwann wird auch mal das Thema Sprache und Übersetzungen kommen. Und wer diese Sachen dann zusammengestellt hat – und damit sind wir beim Kanon der christlichen Schriften.

Und vielleicht fragen wir uns dann selbst irgenwann, woher wir wissen, dass der Text, den wir vor uns haben, von Gott stammt und wir ihn genau so vorliegen haben, wie er das möchte. Nicht mehr und nicht weniger, oder? Zumindest sollten wir uns das fragen, wenn wir unseren Glauben und unser Leben auf dieser Grundlage aufbauen.

Ich weiß, dass mancher jetzt am liebsten vielleicht nicht mehr weiter machen möchte. Langweilig wird es nicht, kann ich dir versprechen. Aber vielleicht spüren wir ein Unbehagen, eine unterschwellige Angst, dass an einem Fundament unseres Glaubens gerüttelt wird. Und das kann Angst machen. Und es kann gut sein, dass dir manche Fakten, über die wir sprechen werden, anfangs unangenhem sind. Mir ging es nicht anders. Aber es ist wie beim Zahnarzt, wenn er mit etwas Kaltem den Zahn prüft. Hier ist Schmerz mal etwas Gutes: Du weißt, der Nerv im Zahn lebt noch. Und wenn es im Laufe dieser Serie anfangs mal etwas weh tut, ist das so ähnlich: Was deinen Glauben betrifft, ist noch Leben drin.

Warum eine solche Überprüfung der Grundlage unseres Glaubens so wichtig ist, wird aus einem Gleichnis Jesu deutlich:

“Darum gleicht jeder, der auf diese meine Worte hört und sie befolgt, einem klugen Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht und das Hochwasser steigt, wenn der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, stürzt es nicht ein, denn es ist auf Felsen gegründet. Doch wer meine Worte hört und sich nicht danach richtet, gleicht einem unvernünftigen Mann, der sein Haus einfach auf den Sand setzt. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht und das Hochwasser steigt, wenn der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, bricht es zusammen und wird völlig zerstört.

(Matthäus 7:24-27 NEÜ)

Jesus wollte damit zwar erklären, warum entsprechendes Handeln notwendig ist. Es trifft aber ebenso auf die Grundlagen unseres Glaubens zu: Wenn das Fundament nicht solide ist, kann das ganze Glaubensgebäude einstürzen. Und wer selbst schon einmal erlebt hat, wie das eigene Glaubensgebäude zusammenbrechen kann, weil vieles aus Lehren von Menschen bestand, könnte bei einem schlechten Fundament vielleicht sogar seinen Glauben ganz verlieren.

Die Bibel ist doch das Fundament unseres Glaubens, oder nicht? Und was ist mit der Überlieferung über die Jahrhunderte durch die Kirche? Schon haben wir eine weitere interessante Frage. Und so wie der eine das spontan ablehenen würde, kann ein anderer es für selbstverständlich halten – und viele haben sich darüber wohl kaum Gedanken gemacht haben. Aber all das ist unbewusst unser Kontext, mit dem wir in der Bibel lesen. Fassen wir einmal einige dieser – zum Teil unbewussten – Überzeugungen in einem Satz zusammen:

„Die Bibel ist Gottes Wort, die heilige Schrift, vollständig von Gott inspiriert und enthält damit exakt das, was Gott wollte. Sie ist uns genau so bis heute erhalten geblieben, wie die Bibel das selbst sagt, jedes Buch, Absatz, Satz, Wort, Komma und Punkt.“

Diese Aussagen wollen in dieser Serie einmal anhand des Textes der Bibel und der historischen Fakten überprüfen. Dabei werden wir nicht einfach nur Dinge in Frage stellen oder Zweifel säen, sondern nach einem stabilen, robusten, auf Fakten beruhenden Fundament suchen. Es wird immer um konkrete Fragen gehen, die wir ganz konkret untersuchen, um konkrete Antworten zu finden, auch wenn diese manchmal nicht so simpel sind, wie wir das vielleicht lieber hätten.

Das ist auch deswegen so wichtig, weil manche Behauptungen über die Bibel und Gott den Tatsachen nicht standhalten und das dann der Bibel oder Gott zur Last gelegt wird – obwohl die Behauptung gar nicht von Gott stammt und in der Bibel zu finden ist. Damit bringt man die Bibel oder Gott nur unnötig in Misskredit.

Fangen wir zuerst einmal mit einer grundsätzlichen Beobachtung an: Wenn du in deiner Bibel liest, liest du dann genau das, was Gott gesagt hat oder hat aufschreiben lassen? Wieviele Annahmen stecken schon in dieser Überlegung? Ist dir bewusst, was alles zwischen Gott und dem Text steht, den du liest?

Einige der Punkte, die beim Lesen der Bibel zu berücksichtigen sind

Das Diagramm hier soll verdeutlichen, was alles zwischen Gottes Gedanken oder Absichten und dem Text, den du in deiner Bibel liest, liegt:

  • Zum Teil mündliche Überlieferung wie bei Teilen das ‚alten Testaments‘ oder den Evangelien
  • Der Schreiber, also ein Mensch, der Worte und Sätze erhielt oder bildete und niederschrieb – die Autographen.
  • Diejenigen, welche die Autographen abschrieben und Kopien der Kopien herstellten.
  • Diejenigen, welche im Laufe vieler Jahrzehnte den Kanon der Bibel festlegten, also welche Schriften in ‚der Bibel‘ enthalten sind.
  • Verschiedene Manuskripte, die Unterschiede aufweisen.
  • Die Texte wurden in verschiedenen Kulturen und Sprachen geschrieben, die Jahrtausende alt sind.
  • Die Texte aus den verschiedenen, unterschiedlichen Manuskripte wurden aus einer anderen Sprache und Kultur in deine Sprache übersetzt. Verschiedene Übersetzungen enthalten einen unterschiedlichen Wortlaut.
  • Du hast deinen eigenen kulturellen Hintergrund und Verständnis der Sprache, in der du die Bibel liest.

All das und noch mehr muss berücksichtigt und beachtet werden, wenn wir die Bibel in unserer Sprache heute lesen.

„Aber Gott hat das doch so geleitet, dass die Bibel uns genau überliefert worden ist.“ Ist das nicht ein Teil der Aussage, die ich vorhin vorgestellt habe? Vielleicht hast du aber auch die Befürchtung, die in einem Kommentar zu meinem Video Die letzte Generation zum Ausdruck kam. Im Video hatte ich gesagt, dass der Teil in Matthäus 24:3, welcher nicht in Markus und Lukas genannt wird, aus guten Gründen vermutlich nicht im Autograph vorhanden war. Ein Kommentar war dann:

„Zu behaupten, dieser sogenannte Zusatz, „…was ist das Zeichen deiner Ankunft und das Ende der Weltzeit”, dass dieser nicht echt sein soll, ist nicht nur gewagt, sondern auch sehr gefährlich. …
4. Weil dieses Gedankenspiel, einen Geist der Unsicherheit einflößt, der den Glauben an die Echtheit der Heiligen Schrift zu zerstören droht. Was muss man da noch anzweifeln in der Bibel, was echt ist usw.?! Wenn wir uns nicht mehr sicher sind, dass uns das Wort Gottes treu überliefert wurde, dann ist das ein sehr gefährlicher Weg, den wir da einschlagen. Wir zweifeln dann an der Echtheit des Wortes Gottes und auch daran, dass Gott nicht fähig wäre, Sein geschriebenes Wort bis heute zu bewahren.“

Teil eines Kommentars zum YouTube Video Die letzte Generation

Diese Befürchtung verstehe ich voll und ganz, weil ich sie auch hatte. Und viele andere in den letzten Jahrhunderten auch. Deswegen wollen wir jetzt auch kein ‚Gedankenspiel, das einen Geist der Unsicherheit einflößt‘ durchführen. Sondern die Fakten prüfen, um ein gesichertes Fundament auf Stein zu finden. Und genau das werden wir auch finden. Es kann sein, dass dir dieser Gedanke im Moment zu viel Angst einflößt. Aber Ignorieren und Leugnen hilft ja auch nicht. Vielleicht findest du später die Stabilität, dieses Thema anzugehen.

Im nächsten Teil der Serie lassen wir zuerst einmal den Text der Bibel selbst sprechen.


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