Weizenfeld mit Sonnenuntergang

„Was erwartest du von 1975?“

Warum freust du dich auf 1975?

Von Christian


Warum sollte jemand in Bezug auf dieses Jahr besondere Erwartungen gehabt haben? Und warum sollte das uns noch interessieren? Das liegt doch schon fast 50 Jahre zurück in der Vergangenheit! Es hat etwas mit diesen beiden Bibeltexten zu tun:

Wer in den kleinen Dingen treu ist, ist auch in großen treu; und wer in den kleinen Dingen unzuverlässig ist, ist es auch in den großen.

Lukas 16:10 NEÜ

Die Lügner lässt du zugrunde gehen. / Mörder und Betrüger sind Jahwe ein Gräuel.

Psalm 5:7 NEÜ

Wir werden sehen, dass die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas durch ihre aktuellen Aussagen zum Thema 1975 sowohl als unzuverlässig erwiesen hat und sogar als Lügner und Betrüger bezeichnet werden müssen. Gemäß Lukas 16:10 sollte man ihnen daher auch in größeren Dingen nicht vertrauen und nach Psalm 5:7 sind sie für Jahwe sogar ein Gräuel. Ich weiß, das sind deutlische Worte, aber die Beweise folgen gleich.

Als Anthony Morris III noch Teil der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas war, hat er im Jahr 2022 in JW Broadcasting die Tatsachen der Ereignisse vor 1975 völlig verdreht. Und dabei hat er sich noch über einige ‚treue, altgedienten Brüder‘ jener Zeit lustig macht.

Für mich hat das auch noch eine persönliche Komponente. Meine Großeltern mütterlicherseits waren schon Anfang der 1920er Jahre Bibelforscher. Sie haben die nicht eingetroffenen Vorhersagen des Präsidenten der Organisation des Wachtturms, J.F. Rutherford für das Jahr 1925 selbst miterlebt: „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben!” Das wurde nicht nur von Rutherford über Jahre verkündet sondern weltweit von den Bibelforschern. Doch diese Voraussage hat sich nicht erfüllt. Sie wurde aber auch nie offen eingestanden und wird bis heute verklärt (siehe w22 Oktober S.2 „1922 – vor Hundert Jahren“, w20 Oktober S. 2 „1920 – vor Hundert Jahren).

„Zeitungsanzeige für den Vortrag „Millionen jetzt Lebender werden nie sterben““ Wachtturm 2020 Oktober S. 2
„Plakat, das den Vortrag in der Londoner Royal Albert Hall ankündigte” Wachtturm 2020 Oktober S. 4

Als es dann wieder Erwartungen verkündet wurden, diesmal für das Jahr 1975, sagte mein Großvater sinngemäß zu meiner Großmutter: „Wir haben erlebt, dass 1925 sich die Hoffnungen nicht erfüllt haben. Und wir haben gesagt, dass wir Jehova für immer dienen wollen. Das werden wir jetzt auch machen.“ Für diese vernünftige Einstellungen hat er aber von seinen Mitältesten jedoch ziemlich was zu hören bekommen: „Das kannst du doch nicht sagen!”

Nun gut, das waren ja nur Verkündiger. Und viele Verkündiger hatten sich halt in falsche Erwartungen hieneingesteigert. Dieses Narrativ wird schon länger von der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas verbreitet. Aber waren es denn wirklich nur einige Verkündiger, die zu viel im Jahr 1975 erwartet haben? Das prüfen wir jetzt einmal anhand der Veröffentlichungen der Leitenden Körperschaft.

Im Jahr 1968 hat die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas die oben genannte Frage allen Verkündigern und Menschen weltweit im Wachtturm gestellt:

Warum freust du dich auf 1975?
Wachtturm 1968 15.8. S. 494 (Englisch); Wachtturm 1968 15.11. S. 686 (Deutsch)

In der englischen Ausgabe lautet die Frage übersetzt: „Warum freust du dich auf das Jahr 1975?“ Man könnte auch noch übersetzen: „Warum erwartest du 1975?“ Der deutschsprachige Artikel hatte jedoch ein verändertes Thema „Was erwartest du von 1975?“. Nun, welche Erwartungen hatten denn die Leitende Körperschaft:

Sollten wir aufgrund dieses Studiums annehmen, daß im Herbst 1975 die Schlacht von Harmagedon vorüber sein und die langersehnte Tausendjahrherrschaft Christi beginnen wird? Vielleicht; wir wollen aber abwarten und sehen, inwieweit die siebente 1 000-Jahr-Periode der Menschheitsgeschichte mit der sabbatähnlichen Tausendjahrherrschaft Christi zusammenfällt. Wenn diese beiden Perioden im gleichen Kalenderjahr begonnen haben und im gleichen Kalenderjahr enden, dann ist dies kein reiner Zufall, sondern entspricht Jehovas liebendem und zeitgemäßem Vorhaben.“ (w68 15.11. S. 691 Abs. 30)

„Eines steht fest: Die biblische Chronologie, die durch die Erfüllung biblischer Prophezeiungen bestätigt wird, zeigt, daß 6 000 Jahre Menschheitsgeschichte bald, ja noch in unserer Generation, enden werden! (Matth. 24:34) Es ist daher jetzt nicht an der Zeit, gleichgültig zu sein und in den Tag hineinzuleben. Es ist nicht an der Zeit, mit dem Gedanken zu spielen, Jesus habe ja gesagt: „Von jenem Tage und jener Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel der Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Matth. 24:36) Im Gegenteil, wir sollten uns ständig vor Augen halten, daß das gewaltsame Ende des gegenwärtigen Systems der Dinge eilends herannaht. Täuschen wir uns nicht: Es genügt, daß nur der Vater „Tag und Stunde“ kennt!“ (w68 15.11. S.691 Abs. 35)

Dies ist allerdings nur ein Artikel von vielen. Am Ende des Artikels werde ich noch einige aufführen. (Viele findet man auch in Englisch bei jwfacts.com und in Raymond Franz Buch „Der Gewissenskonflikt“ sowie James Penton Buch „Endzeit ohne Ende“.)

Der ganze Hype um 1975 begann allerdings schon so richtig mit diesem Buch im Jahr 1966:

Einband: Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Einband: Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes

Diese Tabelle mit der Berechnung, die zum Jahre 1975 führte, sowie einige Aussagen dazu im Text waren es, die schon auf dem Kongress 1966 nach der Veröffentlichung für Begeisterung sorgte.

Tabelle Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 1/3 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 2/2 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 2/3 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 3/3 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 3/3 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes
Tabelle 3/3 Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes

Es lohnt sich, einmal die Daten im letzten Teil der Tabelle sich anzuschauen.

  • Dass die Eroberung Jerusalems im jahr 607 v.u.Z. nicht stattgefunden hat, ist schon hinreichend belegt worden.
  • Interessanterweise wird um ca. 49 nicht von der Leitenden Körperschaft in Jerusalem gesprochen. Kein Wunder, die gab es auch noch viele Jahre nach 1966 bei den Zeugen Jehovas nicht.
  • Dass 1492 der Papst angeblich an einer Bluttransfusion starb … scheint irgendwie sehr wichtig im göttlichen Zeitplan gewesen zu sein.
  • Die Erklärung für 1914 (Oktober! ) ist interessant, aber dazu gibt es ja ein ganzes Buch („Die Zeiten der Heiden neu überdacht“ und den Nachtrag „Die Zeiten der Heiden“ in Lukas 21:24).
  • Leider wird 1925 nicht erwähnt wird, wo doch etwa 6 Jahre lang davor gepredigt wurde, dass „Millionen jetzt Lebender nicht sterben werden“.
  • Aber dafür das Thema Bluttransfusion 1918.
  • Satelliten und Astronaten im Jahr 1957 und 1964: Man erinnert sich; „Zeichen an Mond und Sternen“

Aber zurück zur Entwicklung vor 1975. Die folgenden Jahre hinweg bis 1975 wurden die Erwartungen angefacht (siehe Zitate unten).

Wer möchte, kann auch gerne einmal den markanten Worten des Zweigdienders Konrad Franke zum Thema 1975 zuhören (Vortrag 20. Januar 1968 in Hamburg, Text dazu hier). Allerdings muss gesagt werden, dass er eine zwei Jahre später dann auch nicht mehr Zweigaufseher war.

Konrad Franke, Zweigaufseher der Wachtturm Gesellschaft in Deutschland
Konrad Franke über das Jahr 1975 in einem Vortrag am 20. Januar 1968

Zurück aber zum Ausgangspunkt. Was sagte nun Anthony Morris von der Leitenden Körperschaft im Jahr 2022 im Broadcasting auf jw.org (“JW Broadcasting Februar 2022: Jahresversammlung 2021 (Teil 2)“ nach etwa einer Stunde und 44 Minuten)? Hier die Bildschirmaufnahmen des originalen Videos mit deutschen Untertiteln und Übersetzung durch die Wachtturm-Gesellschaft.

Einige ‚ältere, treue Diener‘ hätten zu seinen Söhnen (um 1975 oder kurz danach) gesagt: „Ihr werdet nicht mehr euren Abschluss machen in diesem System …”

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JW Broadcasting Februar 2022: Jahresversammlung 2021 (Teil 2)

Darauf meinte er: „vielleicht Nachwirkungen von 1975, ich weiß es nicht.“

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JW Broadcasting Februar 2022: Jahresversammlung 2021 (Teil 2)

„Falls das einer von euch war – Jehova liebt dich trotzdem.“

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JW Broadcasting Februar 2022: Jahresversammlung 2021 (Teil 2)

Denn er sagte damals seinen Jungs: Es dauert „vielleicht bis 2020“

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JW Broadcasting Februar 2022: Jahresversammlung 2021 (Teil 2)

Das erweckt den Eindruck, wie weise und weitsichtig dieser Bruder, dieser Gesalbte, der dann später selbst zur Leitenden Körperschaft gehörte, schon damals war. (Im Jahre 2023 wurde Bruder Morris aus der Leitenden Körperschaft entfernt. Für wenige Tage war dieses Ereignis zuerst als Eilmeldung und dann als Nachricht verfügbar. Dann wurde diese Nachricht wieder entfernt. Wie auch andere Videos von ihm, zum Beispiel: Hat sich die leitende Körperschaft selbst verurteilt, da sie verachtenswerte Abtrünnige verurteilt?).

Wie kamen denn diese ‚altgedienten Brüder‘ zu ihrer falschen Einstellung? Einfache Antwort: Erwachet 1969 22. Mai S. 14 und 15.

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Erwachet 1969 22. Mai S. 14 (Englisch)
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Erwachet 1969 22. Mai S. 15 (Englisch)

Was für ein ‚Glück‘, dass die Online JW Library keine Ausgaben des Erwachet vor 1970 enthält (Deutsch und Englisch) und die Leitende Körperschaft in den vergangenen Jahren die Ältesten angewiesen hat, ältere Literatur in der Versammlung zu vernichten.

Aber es gibt sie noch, die digitalisierten Ausgaben. Einige Auszüge aus dem Text (deutsche Übersetzung der englischen Ausgabe):

„Ob jung oder alt, du musst dich der Tatsache stellen, dass dieses System seine Richtung nicht ändern wird. Unter dem Einfluss Satans wird es sich in den verbleibenden Jahren weiter rapide verschlechtern.“ (Erwachet 1969 22. Mai S. 14 (Englisch))

„Wenn du ein junger Mensch bist, musst du auch der Tatsache ins Auge sehen, dass du in diesem System niemals alt werden wirst. Warum eigentlich nicht? Weil alles darauf hindeutet, dass dieses korrupte System in ein paar Jahren zu Ende gehen wird.“ (Erwachet 1969 22. Mai S. 15 (Englisch))

„Deshalb wirst du als junger Mensch nie eine Karriere machen, die dieses System bietet. Wenn du in der High School bist und über eine College-Ausbildung nachdenkst, dauert es mindestens vier, vielleicht sogar sechs oder acht Jahre, bis du einen Abschluss in einem spezialisierten Beruf machst. Aber wo wird dieses System der Dinge bis dahin sein? Es wird auf dem Weg zu seinem Ende sein, wenn nicht sogar schon weg!“ (Erwachet 1969 22. Mai S. 15 (Englisch))

Wenn man vom Erscheinungsjahr dieses Artikels 1969 rechnet, kommt man mit diesen Aussagen auf welches Jahr? 1973, 1975, 1977 … Da “ist das System auf dem Weg in sein Ende oder sogar schon weg.“
Wie konnten diese ‚altgedienten Brüder‘ nur auf die Idee kommen, dass Anthony Morris Kinder ihre Ausbildung nicht beenden werden …

Anthony Morris hat also damals eindeutig nicht entsprechend dem ‚Licht‘ und der ‚damaligen Wahrheit‘ des ‚treuen und verständigen Sklaven‘ – Nathan Knorr und Fred Franz bzw. danach der Leitenden Körperschaft – seine Kinder belehrt. Erstaunlich, wieso ihm damals nicht die Gemeinschaft entzogen wurde, denn die Lehrmeinung war auch in den 1970er Jahren nicht, dass das Ende vielleicht erst 2020 kommt. Noch erstaunlicher ist vielleicht, dass er dann Teil genau dieser Leitenden Körperschaft wurde.

Was veröffentlichte die Leitende Körperschaft nun nach 1975?

IM September 1975 begann ein neues jüdisches Mondjahr. … Dasselbe gilt für den Beginn der Tausendjahrherrschaft Christi. Die Bibel gibt uns keinen Anhaltspunkt für die Berechnung des Datums, und wir sollten daher keine Vermutungen darüber anstellen. … Die Zeitangaben der Bibel zeigen allerdings, daß im Jahre 1975 6 000 Jahre Menschheitsgeschichte abliefen.

w76 1.1. S. 3-5 Das Ende von 6000 Jahren Menschenherrschaft steht bevor — Was ist erreicht worden?

Irgendwie hat man also versucht, das Thema umzubiegen. Aber der Aufruhr war wohl doch zu groß. Was konnte man im Jahr 1976 dann lesen?

15 Es ist aber nicht ratsam, unser Augenmerk auf ein bestimmtes Datum zu richten und alltägliche Dinge zu vernachlässigen, die wir als Christen normalerweise tun würden oder die wir und unsere Familie wirklich brauchen. Wir vergessen vielleicht manchmal, daß der Grundsatz, daß Christen zu jeder Zeit alle ihre Verpflichtungen erfüllen müssen, nicht aufgehoben wird, wenn jener „Tag“ kommt. Falls jemand enttäuscht worden ist, weil er nicht diese Einstellung hatte, sollte er sich jetzt bemühen, seine Ansicht zu ändern, und sollte erkennen, daß nicht das Wort Gottes versagt oder ihn betrogen und enttäuscht hat, sondern daß sein eigenes Verständnis auf falschen Voraussetzungen beruhte.

16 Doch angenommen, du bist einer von denen, die fest mit einem bestimmten Datum gerechnet haben, und hast in lobenswerter Weise deine Aufmerksamkeit besonders auf die Dringlichkeit der Zeit gerichtet und darauf, daß die Menschen die Botschaft hören müssen. Und sagen wir, du seiest vorübergehend etwas enttäuscht. Hast du aber wirklich etwas verloren? Hat dir das wirklich geschadet? Wir glauben, daß du sagen kannst, du habest durch deine gewissenhafte Handlungsweise etwas gewonnen und einen Nutzen gehabt. Außerdem ist es dir möglich gewesen, dir eine wirklich reife, vernünftigere Ansicht anzueignen (Eph. 5:1-17).

17 In der Bibel werden wir wiederholt darauf hingewiesen, daß das Ende völlig überraschend über die Welt kommen wird. … Danach sagte er: „Erweist auch ihr euch als solche, die bereit sind, denn zu einer Stunde, da ihr es nicht denkt, kommt der Sohn des Menschen“ (Matth. 24:42-44). Aus diesen deutlichen Erklärungen Jesu geht hervor, daß Gottes Diener niemals im voraus den Zeitpunkt wissen werden, an dem Christus zum Gericht „kommen“ wird. Tatsächlich wird dieser Tag zu einer Zeit kommen, in der sie es für ‘unwahrscheinlich’ halten (Luk. 12:39, 40).

w76 15.10. S. 633 Abs. 15-17 Eine sichere Grundlage für unser Vertrauen

Wie würdest du dies im Jahre 1976 empfunden haben? Als eine Art Entschuldigung? Oder hat die Leitende Körperschaft die Verantwortung übernommen? Interessanterweise wird in Absatz 17 mit dem gleichen Text aus Matthäus nun genau das Gegenteil vom dem gesagt, was vor 1975 publiziert wurde. Was konnte man in dem am Anfang zitierten Wachtturm Artikel „Was erwartest du von 1975?“ denn lesen?

Es ist nicht an der Zeit, mit dem Gedanken zu spielen [Englische Ausgabe: Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mit den Worten Jesu zu spielen], Jesus habe ja gesagt: „Von jenem Tage und jener Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel der Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Matth. 24:36)

w68 15.8. S. 500-501 Abs. 35-36 „Why are you looking forward to 1975?“ (Englisch); w68 15.11. S. 692-693 Abs. 35-36 “Was erwartest du von 1975?“ (Deutsch)

Das hat wohl bei vielen zu noch mehr Enttäuschung geführt und daher wurde 1980 dies geschrieben:

5 In der Neuzeit hat ein solcher Eifer, der an und für sich lobenswert ist, dazu geführt, daß man versucht hat, für die ersehnte Befreiung von den Leiden und Problemen, die die Menschen überall auf Erden plagen, ein Datum festzusetzen. Als das Buch Ewiges Leben — in der Freiheit der Söhne Gottes erschien und man darin lesen konnte, es sei sehr passend, wenn die Tausendjahrherrschaft Christi mit dem siebenten Millennium der Existenz des Menschen parallel liefe, wurden erhebliche Erwartungen bezüglich des Jahres 1975 geweckt. Es wurde damals und auch später erklärt, dies sei lediglich eine Möglichkeit. Unglücklicherweise wurden jedoch zusammen mit diesen vorsichtigen Äußerungen auch andere Erklärungen veröffentlicht, die durchblicken ließen, daß die Erfüllung solcher Hoffnungen in jenem Jahr eher wahrscheinlich als nur möglich sei. Es ist zu bedauern, daß diese späteren Erklärungen offensichtlich die vorsichtigen überschatteten und dazu beitrugen, daß die bereits geweckten Erwartungen noch gesteigert wurden.

6 In der Ausgabe vom 15. Oktober 1976 schrieb Der Wachtturm, es sei nicht ratsam, sein Augenmerk auf ein bestimmtes Datum zu richten. In diesem Zusammenhang hieß es: „Falls jemand enttäuscht worden ist, weil er nicht diese Einstellung hatte, sollte er sich jetzt bemühen, seine Ansicht zu ändern, und sollte erkennen, daß nicht das Wort Gottes versagt und ihn betrogen und enttäuscht hat, sondern daß sein eigenes Verständnis auf falschen Voraussetzungen beruhte.“ Wenn Der Wachtturm hier „jemand“ sagte, so meinte er damit alle enttäuschten Zeugen Jehovas, also auch diejenigen, die an der Veröffentlichung von Informationen beteiligt waren, die dazu beitrugen, daß in bezug auf dieses Datum Hoffnungen geweckt wurden.

w80 15.6. S. 17 Wähle den besten Lebensweg (Kursivschrift im Artikel)

Ist das eine Entschuldigung oder wird hier nicht nochmals versucht, die Verantwortung auf die Verkündiger zu wälzen? Es wird zugegeben, dass der Wachtturm 1976 nur von ‚jemand‘ schrieb. Und dann stellen sich die Verantwortlichen der leitenden Körperschaft selbst in die Reihe der „enttäuschten Zeugen Jehovas“: „auch diejenigen, die ander Veröffentlichung von Informationen beteiligt waren.“ Und was ist mit denen, welche für das Verfassen und die Veröffentlichung verantwortlich waren, nämlich die Leitende Körperschaft? Auch verfälscht Absatz 5 die Tatsachen bezüglich der Publikationen: Es gab viel weniger „andere Erklärungen“. Und wenn etwas offen gelassen wurde, dann nur, was geschehen würde. Das erkennt man auch, wenn man im Verkündiger-Buch einmal genauer liest, was F. Franz auf einem Kongress sagte:

„Sag mal, was hat es eigentlich mit 1975 auf sich?“
Die Zeugen hatten lange geglaubt, die Tausendjahrherrschaft Christi werde auf 6 000 Jahre Menschheitsgeschichte folgen. Aber wann würden 6 000 Jahre der Existenz des Menschen enden? Das Buch Ewiges Leben — in der Freiheit der Söhne Gottes, das 1966 auf den Bezirkskongressen freigegeben wurde, wies auf 1975 hin. Schon auf dem Kongreß, als die Brüder das neue Buch durchblätterten, wurde viel über 1975 diskutiert.

Auf dem Kongreß in Baltimore (Maryland) hielt F. W. Franz die Schlußansprache. Er begann mit den Worten: „Kurz bevor ich das Podium betrat, kam ein junger Mann zu mir und meinte: ‚Sag mal, was hat es eigentlich mit 1975 auf sich?‘ “ Dann sprach Bruder Franz die Fragen an, die aufgekommen waren, nämlich ob der Inhalt des neuen Buches darauf hinausliefe, daß 1975 Harmagedon vorbei wäre und Satan gebunden wäre. Er erklärte in etwa: „Es könnte sein. Aber wir sagen nichts. Bei Gott ist alles möglich. Aber wir sagen nichts. Und keiner von euch sollte etwas Definitives darüber sagen, was zwischen der Gegenwart und 1975 geschehen wird. Doch der wichtige Gedanke bei alldem, liebe Brüder, ist der: Die Zeit ist kurz. Die Zeit läuft ab, darüber besteht kein Zweifel.

Viele Zeugen Jehovas handelten in den Jahren nach 1966 im Einklang mit dem Geist, der in diesem Rat zum Ausdruck kam. Allerdings wurden noch andere Erklärungen über dieses Thema veröffentlicht, und einige waren wahrscheinlich etwas zu definitiv. Das wurde im Wachtturm vom 15. Juni 1980 (S. 17) zugegeben. Aber Jehovas Zeugen wurden auch ermahnt, sich hauptsächlich darauf zu konzentrieren, den Willen Jehovas zu tun, und sich nicht übermäßig Gedanken über Daten oder eine frühzeitige Errettung zu machen.

Verkündiger-Buch jv Kap. 8 S.104

Was hat der Vizepräsident F. W. Franz also wirklich gesagt? Dass niemand etwas Definitives darüber sagen soll, was vor 1975 passiert! Aber es bestünde kein Zweifel, dass die Zeit kurz ist und abläuft. Dazu muss eigentlich nichts mehr gesagt werden, oder? Anscheinend doch, denn im nächsten Absatz wird doch wieder gezeigt, dass die Verkündiger es waren, die nicht auf die Ermahnung gehört hätten. Von den vier angegebenen Quellen sind übrigens zwei von 1974 und 1975 … da hatte wohl jemand kalte Füße bekommen. In den selben Jahren wurde aber auch dies veröffentlicht:

How Are You Using Your Life?
Yes, since the summer of 1973 there have been new peaks in pioneers every month. Now there are 20,394 regular and special pioneers in the United States, an all-time peak. That is 5,190 more than there were in February 1973! A 34-percent increase! Does that not warm our hearts? Reports are heard of brothers selling their homes and property and planning to finish out the rest of their days in this old system in the pioneer service. Certainly this is a fine way to spend the short time remaining before the wicked world’s end. —1 John 2:17.

Wie nutzt du dein Leben?
Ja, seit dem Sommer 1973 gab es jeden Monat einen neuen Höchststand an Pionieren. Jetzt gibt es 20.394 reguläre und besondere Pioniere in den Vereinigten Staaten, ein neuer Höchststand. Das sind 5.190 mehr als im Februar 1973! Ein Zuwachs von 34 Prozent! Wird uns da nicht warm ums Herz? Es gibt Berichte von Brüdern, die ihre Häuser und Grundstücke verkaufen und den Rest ihrer Tage in diesem alten System im Pionierdienst zubringen wollen. Das ist sicherlich eine schöne Art, die kurze Zeit zu verbringen, die uns noch bis zum Ende der bösen Welt bleibt. -1 Johannes 2:17.

Königreichsdienst Mai 1974 (English Seite 4-5)

Ein Brief von Menschen, die um Dich besorgt sind
1. Septmeber 1974
… Jehovas Zeugen auf der ganzen Erde im September zwei besondere Zusammenkünfte abhalten würden….
Weshalb findet diese besondere Zusammenkunft statt? Weil die Zeit, in der wir leben, es dringend erforderlich macht, daß Du sorgfältig und gebetsvoll darüber nachdenkst, welche Stellung Du vor Jehova Gott einnimmst. Wahrscheinlich ist Dir bereits bekannt, daß für die gegenwärtige gottlose Welt im Jahre 1914 u. Z. die „letzten Tage“ — wie die Bibel sie nennt — angebrochen sind, die nun bald mit der Vernichtung dieser Welt enden werden….
Folglich wird die Generation, die Augenzeuge der Ereignisse des Jahres 1914 u. Z. war, die Generation sein, die auch die „große Drangsal“ erleben wird. Nahezu sechzig Jahre sind bereits vergangen. Die Zahl derer, die das Jahr 1914 bewußt erlebt haben, nimmt ab. Es ist somit klar, daß die Zeit nahe herbeigekommen ist, da Jehova Gott handeln wird.
Da die „große Drangsal“ offensichtlich nahe ist, möchten wir Dich eindringlich auffordern, jetzt nicht mehr zu zögern. …

Königreichsdienst km 74/8 S. 4 S Deutsch

Schließlich wurde noch auf einem Bezirkskongress vor einigen Jahren ein Video gezeigt, wo auch dargestellt wurde, wie damals wohl einige auf die Idee kamen, dass 1975 das Ende käme. Wer nur dieses Kongressvideo gesehen hat, wäre niemals auf die Idee gekommen, was wirklich veröffentlicht wurde. Und wir haben uns nur einen kleinen Ausschnitt angesehen.

Aber ich denke, dass reicht schon, um sich ganz offen und ehrlich die Frage zu stellen: Sollte man der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas vertrauen, sogar sein Leben anvertrauen? Denken wir an Jesu Worte:

Wer in den kleinen Dingen treu ist, ist auch in großen treu; und wer in den kleinen Dingen unzuverlässig ist, ist es auch in den großen.

Lukas 16:10 NEÜ

Einige ausführlichere Zitate:


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