Von Christian
In die Vergangenheit zu reisen, um etwas zu ändern, was heute unvorteilhaft ist – diese Idee ist in einigen Büchern und Filmen durchgespielt worden. In der Realität ist das aber heute für uns Menschen nicht möglich.
Sind einem jedoch die eigenen Veröffentlichungen mittlerweile unangenehm, muss man gar nicht in die Vergangenheit reisen. Man veröffentlich das scheinbar selbe Buch eben einfach mit Änderungen, ohne dies zu vermerken. In diesem Video hatte Eric dies schon einmal anhand des Buches Die Harfe Gottes von Jehovas Zeugen (bzw. damals noch den Bibelforschern) gezeigt:
Viele werden sich noch erinnern können, wie oft es Änderungen für das Offenbarungs-Buch oder Daniel-Buch und anderer Bücher der Zeugen Jehovas gab. Die Korrekturen wurden von manchen so ausgedruckt, dass man den Text im Buch überkleben konnte. Später, als man endlich digitale Versionen verwenden durft und spätesten mit der passenden App der Zeugen Jehovas gab es oft Verwirrung in der Zusammenkunft, wenn jemand den Wachtturm oder eine andere Publikation aus der gedruckten Version vorlas oder eben aus der App mit stets ‚aktuellem‘ Inhalt. Später gab es dann Briefe an die Ältesten, dass die ‚aktuelle‘ digitale Ausgabe stets die ‚richtige‘ ist.
Noch einfacher ist es natürlich, wenn man Veröffentlichungen im Internet digital anbietet, wie in der Wachtturm Online-Bibliothek. Auch wenn diese den Anschein erweckt, ein Archiv zu sein, ist sie das nicht. Ein Archiv wird in Wikipedia so definiert:
Ein Archiv (lateinisch archivum ‚Aktenschrank‘; aus altgriechisch ἀρχεῖον archeíon ‚Amtsgebäude‘) ist eine Institution oder Organisationseinheit, in der Archivgut zeitlich unbegrenzt im Rahmen der Zuständigkeit des Archivs oder des jeweiligen Sammlungsschwerpunktes aufbewahrt, benutzbar gemacht und erhalten wird (Archivierung).
Man geht bei einem Archiv also davon aus, dass die Inhalte unverändert bleiben.
Der Wachtturm vom 1. Januar 1989 (englisch) enthält in diesem Zusammenhang einen interessanten Absatz auf Seite 12:


Was ist an einem Wachtturm aus dem Jahr 1989 so interessant, der – wie so viele andere – das Ende des Predigtwerkes im 20. Jahrhundert ankündigte? Der markierte Satz lautet: „He was also laying a foundation for a work that would be completed in our 20th century.“ [Übersetzung: „Er legte auch den Grundstein für ein Werk, das in unserem 20. Jahrhundert vollendet werden sollte.“] Was ist daran interessant? Einmal abgesehen von der Tatsache, dass das Predigtwerk innerhalb von 10 Jahren zu Ende gewesen sein sollte. Und dass dies natürlich wieder einmal nicht eingetroffen ist, wie wir über 20 Jahre später wissen.
Schauen wir uns einmal den selben Artikel in der Wachtturm Online-Bibliothek an (Bildschirmfoto vom 22. Januar 2023):

Der Satz lautet nur nicht mehr „He was also laying a foundation for a work that would be completed in our 20th century.“ sondern „He was also laying a foundation for a work that would be completed in our day.“ Das Predigtwerk endet also irgendwann in unseren Tagen. Wer auch immer irgendwann dies liest, wird sich bei den Worten ‚unsere Tage‘ mit eingeschlossen fühlen.
Hat die Organisation der Zeugen Jehovas nun absichtlich die Online-Ausgabe des Wachtturm geändert? In diesem Fall gab es sogar eine veränderte gedruckte Ausgabe in dem gebundenen Jahrgang:

Die Online-Bibliothek enthält also den Text der neueren Ausgabe des Wachtturms im gebundenen Jahrgang. So schnell war also diese Aussage nicht mehr erwünscht.
Interessanterweise gab es diese Änderung in der deutschen Ausgabe offensichtlich nicht (Bildschirmfoto vom 22. Januar 2023):

Beide Ausgaben sind in dem folgenden PDF Dokument vorhanden (eingescannt). Zum Glück gibt es die Website http://www.watchtowerwayback.org, welche solche Originale noch enthält.
Eine Antwort zu “Wachtturm Online-Bibliothek: Zurück in die Zukunft”
[…] warum hat man dann nicht einfach diese winzige Änderung vorgenommen? Wie in diesem Artikel gezeigt wurde, hat man doch schon ganz andere ‚Korrekturen‘ vorgenommen. Und sonst ist doch am […]
Du musst angemeldet sein, um kommentieren zu können.