Von Christian
Im ersten Teil (Text, Video) haben wir gesehen, wie die Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas das Buch Kommentar zum Jakobusbrief in der digitalisierten Welt hat verschwinden lassen. In den vielen Kommentaren zu dem Video gab es auch eine Anmerkungen, auf die ich jetzt eingehen möchte.
„Das kann nicht der Grund sein“
Einer der Kommentare war: Dass Edward Dunlap der Autor des Buches war, der wegen ‚Abtrünnigkeit‘ ausgeschlossen wurde und das Buch deswegen verschwand, das kann nicht der Grund sein.
Daher habe ich einmal alle Jahre seit 1970 übrprüft, ob noch andere Bücher nicht in die Online-Bibliothek aufgenommen wurden. Natürlich werden die Bücher irgendwann nicht mehr neu gedruckt. Vor einiger Zeit gab es ja sogar einen Brief (sprich Anweisung) der Leitenden Körperschaft an die Ältesten, Bestände älterer Literatur zu vernichten.
Die anderen Bücher seit 1970 sind aber durchaus alle in der Online-Bibliothek enhtalten. Also Teil des ’spirituellen Erbes’ sozusagen. Daraus kann nun jeder selbst seine Schlüsse ziehen.
Das Offenbarungs-Buch von 1988 war eine Zeit lang nicht online verfügbar. Mittlerweile ist es als Auflage 2006 in die Bibliothek. Auch andere Bücher sind jetzt in neuer Auflage online verfügbar – also in der Regel gegenüber dem gedruckten Buch verändert. Einige erinnern sich vielleicht noch an die Verwirrung in den Zusammenkünften, wenn einige die gedruckten Bücher verwendeten, andere die ausgedruckten Korrekturen und später dann die ständig aktualisierte Ausgabe in der JW Library. Ich habe als Wachtturm-Studienleiter einmal den Scherz gemacht, dass ich hoffe, dass während des Wachtturm-Studiums keine Aktualisierung des Artikels verfügbar ist …
Und schließlich gibt es noch die Bücher, welche regelmäßig ersetzt wurden. Die Bücher für Bibelstudien zum Beispiel. Aber auch die Organisiert-Bücher (bzw. vorher Broschüren und Buch-Anhänge) – mit teils erheblichen Änderungen im Text.
Aber mir war noch eine ganz andere Frage in den Sinn gekommen…
Verwendet die Organisation überhaupt noch das Bibelbuch Jakobus?
Diese Frage stellte sich mir, als ich über die letzten Jahre nachdachte. Konnte ich mich erinnern, dass aus Jakobus überhaupt noch zitiert wurde. Wenn du ein Zeuge Jehovas bist oder warst, kannst du dich daran erinnern, dass aus Jakobus zitiert wurde?
Da wollte ich mich nicht auf die vage Erinnerung oder ein Gefühl verlassen. Nun gut, es kam halt der Analytiker in mir durch. Und da müsst ihr jetzt mit durch. Aber keine Sorge, ich präsentiere nur die Ergebnisse.
Wie oft wurde aus Jakobus zitiert?
Also habe ich das Schrifstellenverzeichnis im deutschen Index von 1945-1985 und 1986-2022 analysiert. Der englische Index reicht noch bis 1930 zurück, aber das macht hier keinen Unterschied. Zuerst schauen wir einmal, ob die Zahlen so stimmen. Jakobus hat 5 Kapitel und 108 Verse. Wie oft wird wohl pro Jahr daraus zitiert?

Tatsächlich wird diese Zahl won 108 Version im jähr 1979 sogar überschritten. In diesem Jahr wurde der Kommentar zum Jakobusbrief veröffentlicht, der alle Verse behandelt. Das passt also.
1997 sind es dann immerhin noch 102 Zitate. In drei Studienartikeln des Wachtturms w97 15.11. wird der komplette Jakobusbrief abgehandelt. Wenige Seiten anstelle eines ganzen Buches. Na ja. Da schauen wir uns mal den Schluß an.

Wie beginnt Absatz 22?
„Der Brief des Jakobus enthält für jeden von uns nützliche Gedanken.“
w97 15.11. S.24 Abs. 22
Dann müsste eigentlich auch fleißig aus diesem Buch zitiert werden, oder? Das ist aber in den meisten der letzten 80 Jahre nicht der Fall. Wie fasst die Leitende Körperschaft die Betrachtung des Buches Jakobus zusammen?
„Es stimmt zwar, daß der Brief des Jakobus ursprünglich für die damaligen gesalbten Christen bestimmt war. Doch wir alle sollten uns durch den darin enthaltenen Rat helfen lassen, an unserem Glauben festzuhalten. Die Worte des Jakobus können unseren Glauben so sehr stärken, daß er uns zu entschiedenem Handeln im Dienst für Gott veranlaßt. Und dieser von Gott inspirierte Brief läßt uns einen beständigen Glauben entwickeln, der uns heute, während der „Gegenwart des Herrn“ Jesus Christus, zu geduldigen, ernsthaften Zeugen Jehovas macht.“
w97 15.11. S.24 Abs. 23
Der Absatz beginnt mit „Es stimmt zwar …“, doch am Ende habe ich mich gefragt: Stimmt irgendetwas von dem, was die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas in diesem Absatz schreiben lies und damals weltweit im Wachtturm-Studium jedem Zeugen vorgelesen wurde?
- Nein, es stimmt nicht, dass der Brief des Jakobus im ersten Jahrhundert an die eine Gruppe von Christen geschrieben wurde, heute aber auch für die überwiegende Mehrheit der Zeugen, die sogenannten ‚anderen Schafe‘ gilt. Denn die Lehre der himmlischen und irdischen Hoffnung, ‚gesalbter Überrest‘ und ‚andere Schafe‘ stammt nicht aus der Bibel sondern der Feder J.F. Rutherfords. (siehe z.B. Wahre Anbetung identifizieren, Teil 8: Die Lehre der Zeugen Jehovas über die ‚Anderen Schafe‘)
- Und war es nicht genau dieser Punkt, weswegen man zwei Jahre nach Veröffentlichung des Kommentar zum Jakobusbrief im Wachtturm 1981 ‚Fragen von Lesern‘ einen Widerruf veröffentlichte (w81 15.4. S. 31), mit dem Inhalt, dass diese Lehre immer noch gilt? Dort wurde nachträglich der Begriff ‚gesalbte Christen‘ in den Buchtext eingeführt, um das Buch an die Lehre anzupassen. Das war sicher auch ein Grund, neben dem Gemeinschaftsentzugs dessen Autors, warum das Jakobus Buch in Ungnade fiel.
- Zum Begriff ‚gesalbte Christen‘ gibt es bald auch ein Video. Du ahnst vermutlich schon, dass damit auch etwas nicht stimmt.
- Natürlich darf nicht der ‚Hinweis‘ auf „entschiedenes Handeln im Dienst für Gott” fehlen. Also der übliche subtile Leistungsdruck, der ständig ausgeübt wurde. Wo steht in Jakobus etwas von „entschiedenem Handeln im Dienst für Gott”, was jeder Zeuge mit dem Predigtdienst verbinden wird? Was sagt denn Jakobus wirklich? Jakobus 1:27 gemäß der Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas: „Die Art Anbetung,* [Fn. Oder die Religion] die vom Standpunkt unseres Gottes und Vaters aus rein und makellos ist, sieht so aus: nach Waisenkindern und Witwen in ihrer Not* [Fn. Oder Drangsal] zu sehen und unbefleckt von der Welt zu bleiben.“ Und das ist ein Text, der oft verwendet wird, wie wir gleich sehen werden.
- Dass danach gleich der Hinweis auf „heute, während der „Gegenwart des Herrn“ Jesus Christus“ folgt, ist auch ein wiederkehrendes Muster. Es begründet und erhöht das ‚Dringlichkeitgsbewußtsein‘, weil damit ja nicht mehr viel Zeit bleibt für das „entschiedene Handeln im Dienst für Gott“. Nur sagt das Bibelbuch Jakobus nicht, dass „heute“ – also vor rund 25 Jahren – Jesus unsichtbar gegenwärtig ist. Eine weitere zentrale Lehre an der die Leitende Körperschaft eisern festhält, obwohl sie den Fakten nicht standhält (siehe Wahre Anbetung identifizieren, Teil 5: 1914 – Eine Überprüfung der Lehre der Zeugen Jehovas und das Buch “Die Zeiten der Heiden neu überdacht”).
- Und warum wird man damit zu einem „ernsthaften Zeugen Jehovas“? Wo soll das in Jakobus stehen?
- Mir fiel auch das Wort „geduldig“ auf. Nicht nur, weil das Motto der Kongresse 2023 der Zeugen Jehovas „Übt Geduld“ ist. Der Kongress beginnt mit: VORTRAG DES VORSITZENDEN: Übt Geduld – warum? (Jakobus 5:7, 8; Kolosser 1:9-11; 3:12) Und tatsächlich wird Jakobus zitiert. Aber was lesen wir dort? Jakobus 5:7 „ Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn!“ (Elberfelder). Bis zur Ankunft des Herrn! Aber der Herr ist doch laut Lehre der Leitenden Körperschaft schon gegenwärtig seit 1914! Also hat sich dieser Hinweis des Jakobus doch erledigt, oder? Aber der Wachtturm ist ja auch schon wieder ein Vierteljahrhundert alt.
- Und ist dir aufgefallen, dass in dem zusammenfassenden letzten beiden Absätzen nicht auch nur eine Aussage mit dem Hinweis auf einen Bibeltext untermauert wird?
Aber eigentlich wollte ich mich ja auf die Verwendung des Bibelbuchs Jakobus konzentrieren und nur mal kurz in den Wachtturm-Artikel schauen … .
Die 59 Referenzen im Jahr 1990 führen überwiegend zu den beiden Bänden Einsichten über die Heilige Schrift. Im Jahr 1962 waren es wenige Artikel im Wachtturm und Erwacht, in denen Jakobus betrachtet wurde. Jakobus schien aber in dieser Zeit durchaus gern zitiert worden zu sein. Ebenso in den Jahren vor 1979, der Veröffentlichung des verschwundenen Buches.
Erstaunlich ist allerdings, dass seit 2000 für 20 Jahre eine regelrechrecht Flaute ist.

Rund 10 Referenzen in 20 Jahren nur. Die meisten im Buch Komm Jehova doch näher und dem Organisiert-Buch (od). Erst 2021 in Glücklich – für immer. Ein interaktiver Bibelkurs wird Jakobus wieder verwendet. Davor viele Jahre überhaupt nicht. Mein Eindruck ist, dass inm letzten Vierteljahrhundert Jakobus für die Leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas keine Rolle mehr spielte. Und dass ich mich an die Verwendung nicht mehr erinnern konnte, stimmte also.
Welche Verse werden häufig, welche gar nicht zitiert?
In einem Buch wie dem Kommentar zum Jakobusbrief wurde jeder Vers betrachtet. Selbst die 3 Artikel im Wachtturm 1997 15.11. schaffen es irgenwie, auf fast alle Verse zu verweisen. Aber wie wurden die einzelnen Verse aus Jakobus sonst in der Literatur der Zeugen Jehovas verwendet?

Auf den ersten Blick stechen da einige wenige Verse hervor. Es gibt wenige Verse, die viel häufiger als andere verwendet werden. Dahinter steckt einige gewisse Methodik, die wir erkennen werden, wenn wir uns diese Verse gleich einmal anschauen. Ein Vers, der in dieser Grafik mit nur 2 Verwendungen erscheint, wurde außer im Kommentar zum Jakobusbrief und dem einen Wachtturm 1997 sonst nie in 80 Jahren verwendet!
Schauen wir uns also zuerst einmal einige der am meisten zitierten Texte an. Jetzt bitte noch nicht spicken. Versuch doch einmal, dich zu erinnern, wenn du ein Zeuge Jehovas bist oder warst, welche Texte dir so einfallen.
Die am häufigsten zitierten Verse

Wie man sieht, werden ganze 3 Verse sehr häufig verwendet, und dann nimmt es steil ab.
Jakobus 1:27
Die Art Anbetung,* [Oder: die Religion] die vom Standpunkt unseres Gottes und Vaters aus rein und makellos ist, sieht so aus: nach Waisenkindern und Witwen in ihrer Not* [Oder: Drangsal] zu sehen und unbefleckt von der Welt zu bleiben.
Jakobus 1:27 NWÜ 2018
Die Form der Anbetung, die vom Standpunkt unseres Gottes und Vaters aus rein und unbefleckt ist, ist diese: nach Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sehen und sich selbst von der Welt ohne Flecken zu bewahren.
Jakobs 1:27 NWÜ
Dieser Text wird ganz oft wegen dem letzten Teil verwendet: Haltet euch getrennt von der bösen Welt, kein enger Umgang mit Weltmenschen. Aber was hat Jakobus wohl gemeint, wenn er davon sprach, “nach Waisen und Witwen in ihrer Not zu sehen”? Vermutlich dies:
Was aber, wenn Ältere die Zusammenkünfte nicht besuchen können? Wie Jakobus 1:27 zeigt, gehört es zu unserer Pflicht, „nach Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sehen“. Das mit „sehen nach“ übersetzte griechische Verb bedeutet unter anderem auch „besuchen“ (Apostelgeschichte 15:36). Wie sehr doch die Älteren unsere Besuche schätzen!
w04 15. 5. S. 19 Abs.17
Gab es im ersten Jahrhundert nicht Sammlungen von Spenden, um die verarmten Brüder und Schwestern zu unterstützen? War das nicht die zweite Hauptaufgabe, die man Paulus übertragen hatte? Und was führt die Organisation der Zeugen Jehovas heute nicht durch und verbietet es Ältesten, dies offiziell als Versammlung zu tun? Wenn jetzt jemand an die Hilfsaktionen bei Katastrophen denkt, der sollte sich mal genau anschauen, wo diese Dinge herkommen. Und an wen die Erstattungen von Versicherungen später fließen sollen …
Jakobus 4:4
Ihr Ehebrecherinnen* [Fn. „Ehebrecherinnen“. Gr.: moichalídes; lat.: adụlteri, „Ehebrecher“.], wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, stellt sich als ein Feind Gottes dar.
Jakobus 4:4 NWÜ
„Kein Freund der Welt sein“. Das wird genauso häufig zitiert wie Jakobus 1:27. Und im Sinne von: Keine Freunde in der Welt haben. Sonst bist du ein Feind Gottes. Geht es in diesem Text bei ‚Welt‘ denn überhaupt um Menschen? Oder etwas anderes? „Hängt euer Herz nicht an die Welt und an nichts, was zu ihr gehört! Wenn jemand die Welt liebt, hat die Liebe des Vaters keinen Platz in ihm.” (1. Joh. 2:15 NEÜ)
Nebenbei bemerkt: Es überrascht auch nicht, dass hier gerne das Femininum des Griechischen stehen gelassen wird, und nicht das Maskulinum der lateinischen Übersetzung. Aber das ist ein anderes Thema.
Jakobus 5:14
Ist jemand unter euch krank? Er rufe die älteren Männer der Versammlung zu [sich], und sie mögen über ihm beten und [ihn] im Namen Jehovas mit Öl einreiben.
Jakobus 5:14 NWÜ
Dieser Text darf in keiner Rechtskomitee Verhandlung fehlen. Und deswegen wird er auch so häufig zitiert. Zum Beispiel ganz aktuell im Online-Bibelkurs von 2021:
Jehova möchte, dass wir die Ältesten der Versammlung zu uns rufen, wenn wir eine schwere Sünde begangen haben. (Lies Jakobus 5:14, 15.)
Glücklich – für immer. Ein interaktiver Bibelkurs S. 237
Spricht denn Jakobus in 5:14 davon, dass die Person eine Sünde begangen hat? Also eine ‚schwere Sünde‘, wie es im Text aber nicht in der Bibel heißt. Der Kontext ist Jakobus 5:13-15 und endet so: „Und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden.“ (Jakobus 5:15 NWÜ) Wir sollten immer den Kontext lesen und genau lesen, was geschrieben steht.
Jakobus 1:5
Wenn es also einem von euch an Weisheit fehlt, so bitte er Gott unablässig, denn er gibt allen großmütig und ohne Vorwürfe zu machen; und sie wird ihm gegeben werden.
Jakobus 1:5 NWÜ
Das wird gerne in Bezug auf alle möglichen Dinge zitiert. Aber im Kontext geht es um eine besondere Situation. Das wurde im Jakobus-Buch noch gut erklärt: „Die Weisheit, um die Christen bitten, ist die Weisheit, so zu leben, daß sie Gott in jedem Bereich ihres Lebens Wohlgefallen, besonders unter Prüfungen.“
Jakobus 3:17
Die Weisheit von oben aber ist vor allem keusch, dann friedsam, vernünftig, zum Gehorchen bereit, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, nicht parteiische Unterschiede machend, nicht heuchlerisch.
Jakobus 3:17 NWÜ
Dieser Text enthält so viele wertvolle Gedanken, dass er durchaus häufig verwendet werden kann. Ein Beispiel:
14 „Zum Gehorchen bereit“. Das griechische Wort für „zum Gehorchen bereit“ kommt nirgendwo sonst in den Christlichen Griechischen Schriften vor. Einem Gelehrten zufolge wird dieser Ausdruck „oft für militärische Disziplin gebraucht“. Er vermittelt den Gedanken „leicht zu überzeugen“ und „fügsam“ zu sein. Wer sich nach der Weisheit von oben ausrichtet, fügt sich bereitwillig dem, was die Bibel sagt. Er gilt nicht als jemand, der für keinerlei Gegenargumente offen ist, nachdem er eine Entscheidung getroffen hat. Vielmehr wird er sich ohne Weiteres revidieren, wenn ihm anhand der Bibel klar dargelegt wird, dass er einen verkehrten Standpunkt eingenommen oder irrige Schlussfolgerungen gezogen hat. Stehst du in diesem Ruf?
Komm Jehova doch näher S. 224 Abs. 14
Ein Wort, das nur einmal in der Bibel vorkommt – dann ist die Interpretation oft schwierig. Ist aber eigentlich ein schönes Zitat für diejenigen Zeugen Jehovas, die sich auf keine Gespräch anhand der Bibel einlassen wollen.
Jakobus 5:16
Bekennt also einander offen eure Sünden, und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet. Das Flehen eines Gerechten hat, wenn es wirksam ist, viel Kraft.
Jakobus 5:16 NWÜ
Oft wegen dem Gedanken zitiert, füreinander zu beten. Aber auch so:
Wann ist es angebracht, daß Christen einander ihre Sünden bekennen? Im Fall einer schweren Sünde (nicht bei jedem geringfügigen Fehler) sollte jemand gegenüber verantwortlichen Aufsehern der Versammlung ein Bekenntnis ablegen. Selbst bei einer nicht so schwerwiegenden Sünde ist es von großem Wert, eine solche zu bekennen und um geistige Hilfe zu bitten, wenn das Gewissen des Sünders sehr beunruhigt ist.
w91 15. 3. S. 6-7
Würdest du sagen, dass dieser Gedanke Jakobus 5:16 im Sinne einer Exegese entspringt? Oder wurde da etwas eisegetisch hineininterpretiert?
Verse, die fast nie zitiert werden
Interessant sind natürlich auch Bibeltexte, die nie oder fast nie zitiert werden. Sind sie vielleicht nicht so wichtig? Vielleicht nur Grüße an Christen im 1. Jahrhundert? Aber es könnten ja auch interessante Texte sein, welche die Organisation lieber nicht erwähnt sieht.
Die am wenigsten zitierten Verse sind diese:
- Jakobus 3:12 Ist nur im Jakobus Buch und Wachtturm 1960 einmal zu finden. Kontext ist Jakobus 3:8 ‚Zunge’.
- Jakobus 2:11 Beispiel für V10, nur in Jakobus Buch und w97 Zusammenfassung
- Jakobus 2:6 „Ihr aber habt den Armen entehrt. Bedrücken euch etwa nicht die Reichen, und schleppen nicht sie euch vor Gerichtshöfe?“ Nur im Jakobus Buch und w97 und g62. Erinnernt einen schon daran, dass die verschiedenen Einrichtungen der Organisation vermehrt Verlage, sogenannte Abtrünnige und andere wegen Aussagen oder Copyright Verletzungen verklagen.
- Jakobus 1:16 „Laßt euch nicht irreführen, meine geliebten Brüder.“ Nur im Jakobus Buch findet sich die schöne Erklärung.
- Jakobus 4:9,10 „Gebt dem Elend Raum und trauert und weint. Euer Lachen wandle sich in Trauer und [eure] Freude in Niedergeschlagenheit. Erniedrigt euch in den Augen Jehovas, und er wird euch erhöhen.“ Passt vermutlich nicht zu dem Narrativ, dass Jehovas Zeugen die glücklichsten Menschen auf der Welt sind.
- Jakobus 5:4, 5 „Seht! Der Lohn, der den Arbeitern zusteht, die eure Felder abgeerntet haben, den ihr aber zurückbehalten habt, schreit fortwährend, und die Hilferufe der Schnitter sind zu den Ohren Jehovas* der Heerscharen gedrungen. Ihr habt auf der Erde in Luxus gelebt und habt an sinnlichem Vergnügen Gefallen gefunden.* [Wtl.: „und ihr lebtet (benahmt euch) üppig“.]“ Wie viele Zeugen Jehovas leben in sehr einfachen Verhältnissen, weil sie so kurz vor dem Ende auf eine ‚höhere Bildung‘ aus Ausbildung verzichtet haben, lange im Vollzeitdienst standen oder im Bethel waren und dann vor ein paar Jahren im fortgeschrittenen Alter ausgemustert wurden? Was hätte Jakobus gesagt, wenn er dagegen zum Beispiel Bilder der neuen Weltzentrale in Warwick anschaut oder auf den Videos die Leitenden Körperschaft mit goldenen Ringen, teuren Uhren usw. gesehen hätte.
Es gibt dann auch noch ein paar sehr selten verwendete Texte, die wirklich zu Diskussionen geführt hätten.
Lästern nicht sie den vortrefflichen Namen, nach dem ihr genannt worden seid?
Jakobus 2:7 NWÜ
Das hätte durchaus zu Verwirrungen führen können. Denn welcher Name ist hier gemeint? Jehova? 1. Petrus 4:14 „Wenn ihr im Namen Christi geschmäht werdet, glückselig ⟨seid ihr⟩! Denn der Geist der Herrlichkeit und Gottes ruht auf euch“ (Elberfelder). Was auch zur Taufe im Namen Christi passt.
Dennoch wird jemand sagen: „Du hast Glauben, und ich habe Werke. Zeig mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir meinen Glauben durch meine Werke zeigen.“
Jakobus 2:18 NWÜ
Erstaunlich, dass dieser Vers nur hier verwendet wurde: w97 15. 11. 15; cj 80-3; w74 1. 4. 212-13 Glaube ohne Werke ist tot; g62 22. 1. 3 Vielleicht liegt es ja am zweiten Teil: „Und ich werde dir meinen Glauben aus meinen Werken beweisen.“ (NEÜ). Aber vielleicht wurde auch immer nur einer der Texte zum Thema Werke immer wieder ausgewählt.
Denn wenn ein Mann mit goldenen Ringen an den Fingern und in prächtiger Kleidung in eure Zusammenkunft kommt, ein Armer aber in unsauberer Kleidung ebenfalls kommt, …
Jakobus 2:2 NWÜ
Ein Mann mit goldenen Ringen an den Fingern …. Nun ja, den einen oder anderen Goldring oder teure Uhr hat man im JW Broadcasting schon mal gesehen ….
Weitere kaum zitierte Texte
Meine Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit weg in die Irre geführt worden ist, und ein anderer bringt ihn zur Umkehr, so wißt, daß der, der einen Sünder vom Irrtum seines Weges zurückführt, seine Seele vom Tod retten und eine Menge von Sünden bedecken wird.
Jakobus 5:19,20 NWÜ
Vers 19 wurden nur hier zitiert: w97 15. 11. 24 cj 214-16 w72 1. 11. 658 or 159 w61 1. 8. 464 w51 1. 7. 203
Wie verhält es sich, wenn jemand aus der Versammlung „von der Wahrheit weg in die Irre geführt worden ist“, weil er sich von den wahren Lehren und von dem richtigen Lebenswandel abgewandt hat? Vielleicht können wir ihn durch biblischen Rat, durch Gebete und durch andere Hilfe veranlassen, sich von seinem Irrtum abzuwenden.
w97 15.11. S.24 Abs. 21
Das scheint doch völlig der aktuellen Richtlinie der Ausgrenzung und des Meidens zu widersprechen. Also wird der Text ignoriert.
Wurde nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerechtgesprochen, nachdem er Ịsa·ak, seinen Sohn, auf dem Altar dargebracht hatte?
Jakobus 2:21 NWÜ
Vermutlich wurde dieser Text praktisch nicht verwendet, weil Abraham dort als ‚unser Vater‘ (‚unser Stammvater‘ NEÜ) bezeichnet wird. Im Einsichten Buch (it-1 S. 1267) wird daher Galater 3:29 herangezogen, um zu begründen, dass Jakobus hier nicht Juden anspricht, sondern alle. Sonst wird der Text einfach nicht zitiert.
Meine Brüder, ihr habt doch nicht etwa den Glauben unseres Herrn Jesus Christus, unserer Herrlichkeit, [und handelt dabei] mit Taten der Parteilichkeit?
Jakobus 2:1 NWÜ
Vergleichen wir das einmal mit einer repräsentativen anderen Übersetzung:
Meine Brüder, habt den Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit [o. habt den Glauben Jesu Christi, unseres Herrn der Herrlichkeit], ohne Ansehen der Person!
Jakobus 2:1 Elberfelder
Alle von mir überprüften Übersetzungen (deutsch, englisch, interlinear) sprechen von unserem Glauben an unseren Herrn Jesus Christus. Bis auf die alte King James Version. Die Betonung des Glaubens – nicht an Jehova – sondern an Jesus, der auch noch als unser Herr der Herrlichkeit bezeichnet wird, passt seit Jahrzehnten nicht mehr in das Programm der Leitenden Körperschaft. Also wird auch dieser Text ignoriert. Sonst könnte man ja auch bei diesen selten zitierten Texten verwirrt werden:
Denn jener Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen wird, …
Jakobus 1:7 Elberfelder
statt dass ihr sagt: Wenn der Herr will, werden wir sowohl leben als auch dieses oder jenes tun.
Jakobus 4:15 Elberfelder
In beiden Texten ist übrigens das ‚Herr‘ im Urtext in der Neue-Welt-Übersetzung natürlich durch ‚Jehova‘ ersetzt.
Übt auch ihr Geduld; befestigt euer Herz, denn die Gegenwart des Herrn hat sich genaht.
Jakobus 5:8 NWÜ
Dieser Text befand sich fast 25 Jahre im Dornröschenschlaf, bis er zum Kongress 2023 wieder entdeckt wurde. Schon im Wachtturm 1999 wurde betont, dass Geduld notwendig ist, während wird ‚auf Jehova warten‘. Nun eigentlich geht es im Text ja um die Gegenwart des Herrn. Wobei selbst in der NWÜ hier Herr nicht durch Jehova ersetzt wird. Spricht der Text aber nicht davon, Geduld zu haben vor der Gegenwart des Herrn. Und lehrt die Leitenden Körperschaft nicht, dass diese unsichtbare Gegenwart 1914 begann? Dann muss Jakobus wohl das zweite Kommen (oder Gegenwart) gemeint haben, das wir aber in der Bibel nicht finden.
Wenn daher jemand weiß, wie er das tun soll, was recht ist, und es doch nicht tut, so ist es ihm Sünde.
Jakobus 4:17 NWÜ
Seit über 25 Jahren nicht mehr zitiert. Damals konnte man aber lesen:
Je umfassender unsere biblische Erkenntnis ist, desto besser ist unser Glaube fundiert. Gleichzeitig sind wir Gott gegenüber in vermehrtem Maß rechenschaftspflichtig. …
w96 15. 9. S. 17 Abs. 5,6
Der Älteste äußerte sich zunächst über die Bedeutung des Bibeltextes und sagte dann: „Obwohl Sie nicht getauft sind, sind Sie rechenschaftspflichtig, und Sie müssen die volle Verantwortung für Ihre Entscheidung tragen.“
Nun, trifft das nicht auch auf alle Zeugen Jehovas zu? Die Leitende Körperschaft weiß, dass viele Lehren nicht biblisch sind und den historischen Fakten widersprechen. Und viele Zeugen Jehovas wissen das mittlerweile auch. Welche Schlußfolgerung ziehen wir für uns aus Jakobus 4:17?
Hört zu, meine geliebten Brüder! Hat Gott etwa nicht diejenigen, die hinsichtlich der Welt arm sind, dazu auserwählt, reich zu sein im Glauben und Erben des Königreiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?
Jakobus 2:5 NWÜ
Die Elberfelder Bibel spricht in der Fußnote auch von ‚Erben der Königsherrschaft‘. Dieser Text wurde nur in der Jakobus Betrachtung im Wachtturm 1997 gestreift, im Jakobus Buch 1979 erklärt und davor ganze 5 mal erwähnt. Er zeigt ja aber auch, dass es nur eine Hoffnung für alle Christen gibt. Interessanterweise wird dies auf S. 65 des Jakobus Buches auch so formuliert. Vermutlich ist das Buch also auch deswegen nicht mehr erhältlich, weil es keine Unterscheidung zwischen ‚Gesalbten‘ und ‚anderen Schafen‘ macht.
Wir könnten hier noch mehr Verse analysieren, aber ich denke, das reicht jetzt erst einmal, um einige Schlußfolgerungen ziehen zu können.
Zusammenfassung
Was hat unsere Analyse ergeben?
- Von den seit 1970 erschienenen Büchern der Wachtturm Gesellschaft findet man alle in der Online Bibliothek. Mit Ausnahme des Organisiert-Buches, welches durch das Organisations-Buch ersetzt wurde. Und eben den Kommentar zum Jakobusbrief.
- Das Bibelbuch Jakobus wird relativ wenig verwendet. Häufig nur im Jahr 1979, als der Kommentar zum Jakobusbrief erschien. Und im Jahr 1997, als im Wachtturm w97 15.11 in nur drei Artikeln der komplette Jakobusbrief behandelt wurde. 1990 finden sich noch einige Referenzen in den beiden Bänden des Einsichten Buches.
- Seit etwa 25 Jahren wird Jakobus praktisch nicht mehr zitiert. Rund 10 Referenzen nur. Die meisten im Buch Komm Jehova doch näher und dem Organisiert-Buch (od). Erst 2021 in Glücklich – für immer. Ein interaktiver Bibelkurs wird Jakobus wieder etwas verwendet.
- Es gibt eine handvoll Verse, welche viel häufiger als alle anderen zitiert werden. Sie werden gerne als Trigger verwendet, um bestimmte Lehren und Richtlinien einzuprägen. Betrachtet man den Kontext des Verses, so ist deren Anwendung in der Literatur der Organisation allerdings oft fraglich.
- Es gibt sehr viele Texte, welche nur im Kommentar zum Jakobusbrief oder w97 15.11. verwendet werden oder höchstens noch wenige Male. Und das in über 75 Jahren! Eine ganze Reihe davon enthält Gedanken, die nicht so recht zu Lehren der Leitenden Körperschaft passen. Oder ist es vielleicht anders herum?
- Dass der Kommentar zum Jakobusbrief nicht mehr erhältlich ist, hat vermutlich noch einen weiteren Grund. Da dessen Author Edward Dunlop wegen abweichender Ansichten zu einigen Lehren als ‚Abtrünniger‘ um 1980 herum ausgeschlossen wurde, ist einer. Gedruckte Bücher wurden aber von der Organisation wegen den Kosten schon immer noch weiter im Predigtdienst verkauft, sogar wenn der Inhalt überholt war. Ein weitere Grund scheint aber zu sein, dass der Kommentar zum Jakobusbrief sich an das Bibelbuch Jakobus hält und nicht an die Lehren der Organisation. Zum Beispiel hält es sich bei vielen Versen an die Bibel und nicht die Lehre von ‚Gesalbten‘ und ‚anderen Schafen‘ mit einer anderen Hoffnung. In diesem und anderen Punkten ist das Buch einfach zu unbequem und könnte den einen oder anderen Verkündiger vielleicht zum Nachdenken bringen.
- Wenn aus diesem Grund schon sehr viele Verse praktisch nicht in der Literatur der Organisation verwendet werden, dann will man dies mit einem Buch wie dem Kommentar zum Jakobusbrief wohl auch kaum tun.
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