In der Literatur der Zeugen Jehovas wird kaum ein Verse häufiger angeführt als Sprüche 4:18. Gerne auch sehr verkürzt und abgewandelt: „Das Licht wird heller!“
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Im Wachtturm 1982 15.5. S. 21 findet sich der Artikel „Das Licht nimmt in unserer Zeit zu“ der als Leittext Sprüche 4:18 hat:
„Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Licht, das heller und heller wird, bis es voller Tag ist.“ (Neue-Welt-Übersetzung)
Im ersten Absatz zeigt sich, wie Sprüche 4:18 verwendet wird:
„DER Bibelbericht von 1. Mose bis Offenbarung zeigt, daß der Pfad der Diener Jehovas tatsächlich wie glänzendes Licht ist, das immer heller wird (Spr. 4:18). In den Tagen Jesu und seiner Apostel wurden viele Prophezeiungen, die von dem Messias handelten, verständlich, was Matthäus und die anderen Evangelisten bestätigten. Und im Zusammenhang mit der Ausgießung des heiligen Geistes Gottes zu Pfingsten sowie dem Umstand, daß die „gute Botschaft“ den Nichtjuden verkündigt werden mußte, fiel noch mehr Licht auf Gottes Wort (Apg. 2:14-36; 10:34-43; 15:6-21).“
Hier findet sich ein schönes Beispiel von Eisegese. In diesem Absatz wird geschickt der Begriff ‚Pfad‘ aufgegriffen, dann auf Prophezeiungen angewandt und schließlich auf Gottes Wort insgesamt. Sagt das aber Sprüche 4:18 überhaupt aus?
Was sagt der Kontext?
Im Sinne der Exegese soll der Text der Bibel selbst erklären. Sprüche 4 beginnt so (alle Texte sind aus der Neuen Evangelistischen Übersetzung):
„Hört, ihr Söhne, auf die Mahnung des Vaters, / merkt auf, damit ihr Einsicht lernt, denn gute Lehre gebe ich euch! / Schiebt meine Weisung nicht weg! Als ich ein kleiner Junge war, / zart und einzig vor meiner Mutter, / da hat mein Vater mich schon unterwiesen. Er sagte: “Präg dir meine Worte ein! / Bewahre meine Gebote und lebe danach!“ (Sprüche 4:1-4)
Nun der unmittelbare Kontext:
„Höre, mein Sohn, nimm an, was ich sage, / dann mehren sich dir die Jahre des Lebens. Im Weg der Weisheit unterweise ich dich, / ich leite dich auf ebener Bahn. Wenn du gehst, wird dein Schritt nicht gehemmt, / wenn du läufst, dann stolperst du nicht. Halte an deiner Erziehung fest, verleugne sie nicht, / bewahre sie, denn sie ist dein Leben! Komm nicht auf die Bahn der Gesetzlosigkeit, / den Weg der Bösen betrete nie! Vermeide ihn, betritt ihn nicht, / wende dich von ihm ab und gehe vorbei! Denn sie können nicht schlafen, es sei denn, sie haben Böses getan; / wenn sie nichts verbrochen haben, raubt es ihnen den Schlaf. Unrecht ist ihr tägliches Brot, / und Gewalt ist der Wein, den sie trinken. Doch der Pfad der Gerechten ist wie das Morgenlicht, / es strahlt immer heller bis zum vollen Tag. Der Weg der Gottlosen ist wie das Dunkel, / sie wissen nicht, worüber sie gestolpert sind.“ (Sprüche 4:11-19)
Welche Schlußfolgerung kann man aus Sprüche 4 nur ziehen? Weisheit ist der sicherste Weg und meide Gesetzlosigkeit.
Nichts, aber auch rein gar nichts in Sprüche 4 deutet auf ein besseres Verständnis biblischer Text und Prophetie hin. Und erst recht nichts darauf, dass es sich hier um ein prophetisches Vorbild handelt, das sich in unserer Zeit erfüllt. Diese Art, alles Mögliche in der Bibel als Vorbild/Gegenbild zu verwenden – was seit Russel über Rutherford bis heute sehr oft getan wurde – ist aber seit dem Wachtturm 2015 15.3. S. 17 Fragen von Lesern eigentilich nicht mehr vorgesehen.